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Adipöse Menschen neu teils Anspruch auf IV-Rente
Aus Rendez-vous vom 21.11.2024. Bild: KEYSTONE/DPA/Frank Leonhardt
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Bundesgericht Übergewichtige bekommen neu IV-Rente

Früher galt schweres Übergewicht als «überwindbar», eine IV-Rente gab es deshalb grundsätzlich nicht. Doch jetzt hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung geändert.

Sibilla Bondolfi

Gerichtskorrespondentin

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Sibilla Bondolfi ist seit 2023 Gerichtskorrespondentin von Radio SRF. Davor hat sie für den zehnsprachigen Online-Dienst Swissinfo gearbeitet. Sie ist promovierte Juristin im Bereich Verfassungsrecht und Menschenrechte.

Was ist Adipositas?

Adipositas ist schweres Übergewicht mit Krankheitswert. Ab einem BMI von 30 gilt man als schwer übergewichtig. In der Medizin gilt Adipositas als chronische und komplexe Stoffwechselerkrankung.

Worum ging es im konkreten Fall?

Eine ehemalige kaufmännische Angestellte arbeitete seit Jahren nicht mehr, weil sie sich wegen massiven Übergewichts kaum noch bewegen konnte. Sie litt mit einem BMI von 58 an der schwersten Form von Adipositas. Trotzdem wurde ihr eine IV-Rente verweigert mit dem Argument, Adipositas mache nicht invalid, Übergewicht sei nämlich «willentlich überwindbar». Oder anders gesagt: Die Frau könne ja abnehmen und ihr Leiden damit beenden. Gegen diesen Entscheid wehrte sich die Frau.

Was hat das Bundesgericht entschieden?

Das Bundesgericht gibt der Betroffenen in einem heute publizierten Leiturteil recht: Adipositas sei eine chronische körperliche Krankheit und die Betroffene habe es nicht in der Hand, per sofort eine 100-prozentige Arbeitsfähigkeit herzustellen. Dass Adipositas grundsätzlich behandelbar sei, stehe einer Rente nicht von vornherein entgegen. Damit ändert das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung, wonach Übergewicht quasi als lösbares Problem galt. Neu berechtigt starkes Übergewicht grundsätzlich zu einer IV-Rente.

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Bild: SRF abspielen. Laufzeit 50 Minuten 48 Sekunden.

Wie argumentiert das Bundesgericht?

Das Bundesgericht macht eine Analogie zu Suchterkrankungen und Depressionen. Dort wird schon seit Längerem nur noch darauf geschaut, welche Auswirkungen eine Erkrankung auf die Arbeitsfähigkeit hat und nicht darauf, ob die Person austherapiert ist. Denn eine psychische Störung könne trotz Behandelbarkeit arbeitsunfähig machen, so das Bundesgericht. Und so sei es auch bei starkem Übergewicht. Die Vorstellung, Übergewicht könne man einfach so loswerden, findet das Bundesgericht falsch.

Was bedeutet das Urteil für schwer Übergewichtige?

Neu wird im Einzelfall geprüft, wie sich das Übergewicht auf die Leistung auswirkt. Wenn jemand durch Adipositas arbeitsunfähig wird, hat er Anspruch auf eine IV-Rente. Weiterhin gilt aber eine sogenannte Schadenminderungspflicht: Die Betroffenen müssen sich mit Diät, Sport, Verhaltenstherapie und allenfalls Medikamenten um eine Gewichtsreduktion bemühen. Wer überhaupt nichts tut, dem kann nach einer Verwarnung die Rente gekürzt oder gestrichen werden.

Rendez-vous, 21.11.2024, 12:30 Uhr

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