Wegen der veränderten geopolitischen Lage soll die Schweizer Armee aufgerüstet werden. Doch das kostet viel Geld, das anderswo fehlt. Wie soll der Engpass in der Bundeskasse beseitigt werden? Finanzministerin Karin Keller-Sutter nimmt Stellung – und betont die Bedeutung der Schuldenbremse.
SRF News: Der Ständerat hat eine Milliarde pro Jahr mehr gesprochen für die Armee. Wie fest haben Sie sich darüber geärgert?
Karin Keller-Sutter: Ich habe das zur Kenntnis genommen. Dieses Geld ist ein sogenannter Zahlungsrahmen, also noch kein Kredit. Aber wenn man das einstellen müsste in die Finanzplanung, wäre es nicht gegenfinanziert.
Wie fest haben Sie sich über Ihre Kollegin Viola Amherd geärgert, die hinter den Kulissen massiv lobbyiert hat für das 15-Milliarden-Paket für Armee und Ukraine?
Der Bundesrat hat dieses Paket klar abgelehnt und Frau Amherd hat es auch abgelehnt im Ständerat. Die Ausserordentlichkeit von solchen Aufgaben ist nicht gegeben. Das ist rechtswidrig. Ich bin froh, dass sich der Ständerat an Recht und Verfassung gehalten hat.
Die Schuldenbremse ist meine beste Freundin, weil sie die Staatskasse schützt vor dem Zugriff von Lobbys und Partikularinteressen.
Der Ständerat will das Geld für die Armee vor allem in der Entwicklungshilfe kompensieren, mit bis zu zwei Milliarden Franken. Darf man das, soll man das?
Das Parlament darf alles. Der Bundesrat will aber etwas anderes. Er hat die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit verabschiedet. Dort ist ein Teil, nämlich 1.5 Milliarden Franken über die ganze Periode, für die Ukraine reserviert. Das ist der Antrag des Bundesrats. Aber die Budgethoheit liegt beim Parlament, und das Parlament kann letztlich priorisieren und herumschieben, wie es will.
Das Herumschieben, oder das Knorzen ums Budget, hätten wir nicht, wenn es die Schuldenbremse nicht gäbe. Das ist so eine Art heilige Kuh, und Sie haben sogar gesagt, das sei Ihre beste Freundin!
Gott sei Dank haben wir die Schuldenbremse! Und wenn ich sage, dass sie meine beste Freundin ist, dann darum, weil die Schuldenbremse die Staatskasse schützt vor dem Zugriff von Lobbys und Partikularinteressen. Die Schuldenbremse sagt nichts anderes, als dass man nicht mehr ausgeben kann, als man einnimmt.
Sie umgehen aber die Schuldenbremse auch mit den Geldern für die Ukraine-Flüchtlinge.
Wenn eine Aufgabe auf den Bund zukommt, die nicht vorhersehbar ist oder nicht steuerbar, wie zum Beispiel die Corona-Krise oder eben die Flüchtlinge aus der Ukraine, dann ist die sogenannte Ausserordentlichkeit möglich. Doch ausserordentlich heisst auch, dass man zurückzahlen muss. Der Bundesrat beantragt jetzt, dass schon im Budget 25 ein Teil wieder ordentlich verbucht wird, damit man aus dieser Ausserordentlichkeit aussteigt.
Es gibt namhafte Ökonomen, die sagen, die Schuldenbremse ergebe keinen Sinn, wenn man sie an der absoluten Höhe der Schulden festmacht. Man müsse sie an die Schuldenquote anbinden, also die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Da steht die Schweiz hervorragend da, die Schuldenquote ist sogar noch gesunken in den letzten Jahren.
Das kann man schon machen, aber dann muss man die Verfassung ändern.
Das wollen Sie nicht?
Nein, das will ich nicht. Nochmals: Diese Schuldenbremse ist ein Segen für die Schweiz. Man kann sagen, dass unser Land oft wirtschaftlich besser dasteht als andere Länder. Wir sind besser durch die Krisen gekommen. Und wenn wir besser dastehen als andere, ist das kein Zufall, sondern hat damit zu tun, dass man spart, wenn es möglich ist, und das Geld später in der Krise brauchen kann – wie in der Corona-Krise oder bei den Ukraine-Flüchtlingen.
Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern der Bund braucht einfach zu viel Geld.
Die Schuldenbremse ist sakrosankt, sparen wird schwierig mit diesem Parlament, das hat man bei der Kulturbotschaft gesehen oder bei der BFI-Botschaft. Das heisst also, man braucht neue Einnahmen, man muss die Steuern erhöhen?
Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern der Bund braucht einfach zu viel Geld. Deshalb muss man das primär auf der Ausgabenseite angehen. Aber der Bundesrat hat auch immer gesagt: Wenn es Mehreinnahmen braucht, zum Beispiel zur Finanzierung der 13. AHV-Rente, käme man nicht um eine Steuererhöhung herum.
Sie treffen am Mittwoch den deutschen Finanzminister Christian Lindner. Was werden Sie ihm sagen? Deutschland steht finanziell doch einiges schlechter da als die Schweiz.
Das ist so. Wir haben verschiedene Themen, zum Beispiel die internationale Verschuldung, die ein grosses Risiko ist. Wir reden über die Bankenregulierung und wir reden sicher auch immer über die Schuldenbremse. Das ist ja ein gemeinsames Thema.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.