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Bundesrätin gibt Amt ab Amherds Rücktrittszeitpunkt hat eine gewisse Logik

Viola Amherd kündigt ihren Rücktritt als Bundesrätin in einem Moment grossen Drucks an: Mit der SVP hat die grösste Partei ihren Rücktritt gefordert, mehrere Grossprojekte aus ihrem Departement sind in Schieflage, die Ruag sorgt für Skandale und die Diskussionen um eine reale oder fiktive Finanzlücke in der Armee klingen nach. Entsprechend kritisch fiel die Medienberichterstattung in letzter Zeit aus.

Doch Amherd konnte in ihrer sechsjährigen Amtszeit durchaus auch Pflöcke einschlagen. So hat sie es im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ueli Maurer im Herbst 2020 geschafft, das Stimmvolk von neuen Kampfjets zu überzeugen. Dass dies auch ihrem persönlichen Einsatz zu verdanken war, attestierten ihr selbst ihre Gegnerinnen und Gegner.

Ereignisse überschlugen sich

Schon wenige Monate später überschlugen sich die Ereignisse und katapultierten ihr Departement, das sie anfänglich widerwillig übernommen hatte, vom Schattendasein mit ins Zentrum des Interesses. Während der Corona-Pandemie ordnete sie als erste Verteidigungsministerin seit dem Zweiten Weltkrieg eine Teilmobilmachung an. Und kaum war Corona vorbei, marschierten die Russen in die Ukraine ein.

Amherd setzte sich im Bundesrat stets dafür ein, die Schweizer Neutralität eher grosszügig auszulegen, um der Ukraine helfen zu können. Sie stiess damit oft auf taube Ohren und verärgerte damit rechtsbürgerliche Kreise, die auch ungern von ihr hörten, für Sicherheit brauche es auch die Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Andere Armeefreunde wiederum bemängelten, ihr fehle eine Gesamtstrategie. Alles vorhanden, konterte sie, man müsste die Papiere nur lesen.

Erhöhung des Armeebudgets

Zum Slalomkurs wurde ihr Kampf für mehr Armeefinanzen. Sie hatte sich ursprünglich damit einverstanden erklärt, die Armeefinanzen erst bis 2035 auf ein Prozent des Inlandproduktes zu steigern, arbeitete später dann aber doch auf eine schnellere Steigerung hin.

Aber immerhin: In ihre Amtszeit fällt eine beträchtliche Erhöhung des Armeebudgets. Da kamen ihr kritische Berichte über Finanzprobleme der Armee und über die Schieflage etlicher Beschaffungs- und IT-Projekte sehr ungelegen – obwohl etliche dieser Projekte schon vor ihrem Amtsantritt aufgegleist worden waren. Die Frau, die im Volk lange beste Umfragewerte gehabt hatte, gab immer seltener Interviews, zog sich zurück in ihre Walliser Wagenburg.

Für mehr Frauen

Immer zu haben war sie jedoch für Gleichstellungsanliegen. Sie setzte sich für mehr Frauen in der Armee ebenso ein wie für mehr Frauen in der Politik. Als erste Frau an der Spitze des Verteidigungs­departements war sie für viele ein Vorbild.

Frau in Anzug mit Dokument, steht vor Schweizer Flaggen.
Legende: Bundesrätin Viola Amherd gibt an einer Medienkonferenz ihren Rücktritt bekannt. KEYSTONE/Peter Klaunzer

Mit Amherd geht nicht nur eine Frau, die der Armee neue Kampfjets und mehr Geld gebracht hat, sondern auch eine überzeugte Europäerin. Als sie als Bundespräsidentin kurz vor Weihnachten mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Abschluss der materiellen Verhandlungen mit der EU verkünden konnte, war ihr die Freude anzusehen – während ihre drei Bundesratskollegen später an der offiziellen Medienkonferenz wirkten, als ob sie einer Beerdigung beiwohnen würden.

Rücktrittszeitpunkt hat gewisse Logik

Mit diesem Abschluss auf europäischer Ebene, mit der erfolgreichen Durchführung der Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock und mit dem erhöhten Budget für die Armee hat Amherd letztes Jahr ein paar wichtige Ziele erreicht. So gesehen hat ihr Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt auch eine gewisse Logik.

Ob die Verträge einst tatsächlich beerdigt oder eher gefeiert werden, was aus den Wackel-Projekten der Armee wird und wie eng die Schweiz mit anderen Ländern militärisch zusammenarbeiten wird: Viola Amherd wird es nicht mehr mitbestimmen. Und die Frauen-Fussball-Europameisterschaften, die bald in der Schweiz stattfinden, und die ihr so wichtig sind, die wird sie als Zuschauerin geniessen können.

Nathalie Christen

Bundeshausredaktorin

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Christen ist Korrespondentin im Bundeshaus für Fernsehen SRF. Sie arbeitet seit 2002 für SRF. Unter anderem leitete sie die Bundeshausredaktion von Radio SRF und war Produzentin bei der «Arena». Zuvor war sie Bundeshausredaktorin beim «SonntagsBlick».

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SRF info, 15.01.2025, 14 Uhr

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