Es rumort unter der Kuppel des Bundeshauses in Bern. Nächsten Mittwoch finden die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats statt. Vakant ist der Sitz von SP-Bundesrat Alain Berset, der Ende Jahr sein Amt niederlegt. «Es wird nie so häufig gelogen wie vor Bundesratswahlen», sagte Politgeograf Michael Hermann in der «Arena». Tatsächlich machen Gerüchte über Geheimpläne und sogar Drohungen die Runde.
Die SP schickt für die Nachfolge von Berset den Bündner Jon Pult und den Basler Beat Jans ins Rennen. Etliche Stimmen aus der SVP haben ihre Unzufriedenheit mit dem SP-Ticket bereits klar geäussert. Diese Woche schaltete sich auch SVP-Schwergewicht Christoph Blocher in die öffentliche Debatte ein und sagte in seiner Sendung «Tele Blocher», schlussendlich gebe es auch die Option, einen SP-Kandidaten zu wählen, der nicht auf dem Ticket steht.
Deutliche Kritik am SP-Ticket gab es in der «Arena» zum ersten Mal auch von der Mitte. Pirmin Bischof, Mitglied des Mitte-Parteipräsidiums, bezeichnete die Auswahl als «schmal» und doppelte nach: Eine Wahl ausserhalb des Tickets «ist für mich nicht ausgeschlossen».
Auch der Vize-Fraktionspräsident der SVP, Alfred Heer, schliesst eine Wahl ausserhalb des Tickets nicht kategorisch aus. Er halte es aber für «illusorisch», dass dies eine Chance hätte. Seine Unzufriedenheit mit dem SP-Ticket äusserte Heer in aller Deutlichkeit. Die Auswahl sei enttäuschend und die beiden Kandidaten zu links.
«Dass für die Vakanz eines linken Bundesratssitzes linke Kandidierende vorgeschlagen werden, ist doch ganz klar», meinte dazu die frisch gewählte GLP-Fraktionspräsidentin Corina Gredig. «Für uns ist es wichtig, einen valablen Kandidaten zu wählen.» SP-Vizepräsident David Roth sagte dazu, die Kritik beunruhige ihn insbesondere von Seiten der SVP nicht. «Denn das bedeutet, dass die beiden Kandidaten die SP höchstwahrscheinlich sehr gut repräsentieren.»
FDP hält sich ans Ticket – unter einer Bedingung
Die Begeisterung für die SP-Kandidaten hält sich auch bei der FDP in Grenzen. FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro betonte allerdings, die Partei werde sich an die Regeln halten. Das sei wichtig für die Stabilität der Schweiz. «Die SP hat ihre beiden Champions ausgewählt und daran halten wir uns, denn so funktioniert das Spiel.»
Am Spiel teilnehmen möchten auch die Grünen. Mit ihrem Sprengkandidaten, dem Freiburger Gerhard Andrey, wollen sie am Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis rütteln. Geht es um den eigenen Bundesratssitz, vertritt die FDP eine klare, warnende Haltung. Wenn die SP den Grünen Andrey unterstütze, «dann lassen wir uns offen, ob wir uns an das SP-Ticket halten», so de Quattro.
Das könnte für die SP heikel werden. Bisher hat sich die Partei nicht dazu geäussert, ob sie die grüne Kandidatur unterstützen wird. SP-Vizepräsident David Roth liess sich in der «Arena» nicht in die Karten schauen: «Wir haben ein Interesse daran, die progressiven Kräfte im Bundesrat zu stärken und nehmen jede Kandidatur sehr ernst.»
«Das sind keine Regeln, sondern eher Traditionen»
Grünen-Präsident Balthasar Glättli betonte in der «Arena» mehrfach den rechtmässigen Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz, machte aber auch klar: «Für einen SP-Sitz stehen wir nicht zur Verfügung. Wir greifen die Übervertretung des Freisinns an.»
Die Sprengkandidatur stösst bei den anderen Parteien, namentlich SVP, FDP und Mitte, auf wenig Verständnis. Die Grünen seien nach den Parlamentswahlen im Oktober die grossen Verlierer, so der Konsens. Sie müssten sich zuerst in vier Jahren nochmals beweisen, bevor sie Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat erheben können.
Dazu sagte der Politexperte Michael Hermann: «Der Sitz der FDP wäre im Normalfall höchst gefährdet, denn der SVP und der FDP fehlen im Parlament 12 Sitze für eine Mehrheit.» Das Schweizer System sei diesbezüglich aber etwas eingerostet. Zu Bundesratstickets und der Abwahl amtierender Bundesratsmitglieder sagte er weiter: «Das sind keine festgeschriebenen Regeln, sondern eher Traditionen.»
Die Fraktionen von SVP, FDP, GLP und Grünen haben die SP-Kandidaten bereits angehört. Nächste Woche wird die Mitte Pult und Jans für ein Hearing empfangen. Ausserdem entscheidet die SP am Dienstag, ob sie den grünen Sprengkandidaten unterstützen wird. Bis zum 13. Dezember könnten die Karten also nochmals komplett neu gemischt werden.