Der 47-jährige Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey soll der erste Bundesrat der Grünen werden. Die Partei will den Bundesratssitz der FDP erobern. Ist das nicht gegen die Regeln? Gerhard Andrey im Interview.
SRF News: Angesichts der politischen Lage scheinen Sie keine Chance zu haben, in den Bundesrat gewählt zu werden. Weshalb treten Sie trotzdem an?
Gerhard Andrey: Es gibt Stimmen, die mir keine Chance einräumen. Mich persönlich hat das noch nie davon abgehalten, etwas zu wagen. Wer wagt, gewinnt. Wir brauchen mehr Konkordanz im Land. Die wichtigsten politischen Kräfte sollten an der Regierung beteiligt werden, und mit einem Wähleranteil von fast 10 Prozent gehören die Grünen dazu.
Den Regierungsparteien scheint es um den eigenen Machterhalt zu gehen.
Bei den Wahlen im Oktober haben die Grünen über 3 Prozent Wählerstimmen verloren. Ist das nicht der falsche Zeitpunkt für eine Bundesratskandidatur?
Unserer Partei geht es gut. Wir haben das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der Partei erzielt. Wir haben unsere Position in der politischen Landschaft der Schweiz halten können. Die Grünen haben einen arithmetischen Anspruch auf einen Sitz. Wenn wir nicht mitregieren können, sagt das weniger über uns und mehr über die anderen aus. Den Regierungsparteien scheint es um den eigenen Machterhalt zu gehen. Wenn die Grünen nicht mitregieren, haben wir keine repräsentative Regierung.
Die heutige Zauberformel gehört begraben.
Weshalb greifen Sie den FDP-Sitz an und nicht den frei werdenden SP-Sitz? Verstösst dies nicht gegen geltende Regeln?
Es handelt sich um eine Gesamterneuerungswahl. Jedes Ratsmitglied hat die Verantwortung, die für sich richtige Person in die Landesregierung zu wählen. Alles andere sind ungeschriebene Regeln. Wir treten an für eine bessere Repräsentation in der Landesregierung, die heutige Zauberformel taugt als Mittel dazu nicht mehr und gehört begraben. Die SP hat bei den letzten Wahlen zugelegt. Ihr zweiter Sitz ist deshalb legitimer als derjenige der FDP.
Was qualifiziert Sie zum Bundesrat?
In den letzten 20 Jahren habe ich ein stattliches Unternehmen aufgebaut und geleitet. Wir beschäftigen 200 Mitarbeitende an sechs Standorten in der Schweiz. Beim Aufbau des IT-Unternehmens habe ich viel gelernt. Sei es in personeller, rechtlicher, finanzieller oder auch wirtschaftlicher Hinsicht. Diese Erfahrungen kamen mir in den letzten vier Jahren als Nationalrat zugute. Aus einer schwierigen Minderheitsposition in der Opposition habe ich gewichtige Geschäfte durch das Parlament gebracht. Die Qualitäten, die mir bereits als Nationalrat zugutekamen, sind auch in einem Regierungsamt relevant.
Bei der FDP habe ich noch ein gewisses Verständnis.
Im Dezember starten Sie die Hearings als Bundesratskandidat bei der GLP-, SP-Fraktion und der SVP-Parteispitze. Die FDP und die Mitte verzichten hingegen darauf, wie finden sie das?
Bei der FDP habe ich noch ein gewisses Verständnis, weil es um ihren Sitz geht. Bei der Mitte bin ich enttäuscht. Ich habe ein gutes Verhältnis zur Mitte-Partei und ich glaube, dass es dort auch Parteimitglieder gibt, die sich über eine Anhörung gefreut hätten. Umso mehr freut es mich, dass ich auch Anhörungen ausserhalb des Bundeshauses habe. Zum Beispiel bei den Dachverbänden der Wirtschaft oder bei zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Das Gespräch führte David Karasek, Mitarbeit Géraldine Jäggi.
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