Wenn das Los entscheidet, entscheidet der Zufall. Oder das Schicksal.
Aber mit Sicherheit keine Partei. Darum sollen gemäss der Justiz-Initiative Bundesrichterinnen und Bundesrichter per Los bestimmt werden. Deren Financier und Initiator ist der Unternehmer Adrian Gasser. Im Gespräch erklärt er, warum es das Losverfahren seiner Ansicht nach braucht.
SRF News: Ihre Initiative verlangt, dass Bundesrichterinnen und -richter per Los gewählt werden, nachdem sie von einer Fachkommission zum Losverfahren zugelassen wurden. Im Parlament war von Casino oder Lotterie die Rede. Kann «Lösliziehen» für den höchsten Posten an einem Schweizer Gericht wirklich etwas verbessern?
Adrian Gasser: Davon bin ich überzeugt. Diese Idee kam mir schon von 40, 50 Jahren. Es geht um ein qualifiziertes Losverfahren, also wäre eine bestimmte Qualität erreicht, um das Amt zu erlangen. Das Recht, in einer Selektion über das Los gewählt zu werden, hat verschiedene Vorteile.
Auch wer per Los ans Bundesgericht gewählt wird, ist kein steriles Wesen ohne Bezug zur Aussenwelt. Wären diese Richterinnen und Richter wirklich so viel unabhängiger?
Die Schweiz hat 8.5 Millionen Einwohner, wovon rund 2.2 Millionen Ausländer sind. Sie unterstehen unserer Gesetzgebung ebenso wie diejenigen, die abstimmen dürfen. Von den Abstimmenden sind es allerhöchstens fünf bis sieben Prozent, die einer Partei angehören. Alle anderen haben Anrecht auf eine Vertretung im Bundesgericht oder im Richtergremium.
Die 130'000 Unterschriften, die wir sammeln konnten, liessen sich nur über den Weg dieses qualifizierten Losverfahrens gewinnen.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo eine Bundesrichterin oder ein Bundesrichter vom Parlament explizit aus politischen Gründen nicht mehr wiedergewählt wurde?
Es geht nicht darum, die Fälle aufzuzählen, die irgendwo missbräuchlich hätten sein können oder es gewesen wären. Tatsache ist, dass seit 1943 nur Richterinnen und Richter gewählt wurden, die einer Partei angehören.
Viel zu reden gab letztes Jahr der Bundesrichter der SVP, den die SVP-Fraktion nicht mehr wählen wollte, weil er sich ihrer Meinung nach zu sehr von der Partei entfernt hatte. Am Schluss aber wurde dieser Bundesrichter vom Parlament wiedergewählt. Zeigt das nicht, dass das System funktioniert und das Parlament die Unabhängigkeit hochhält?
Yves Donzallaz hat voll und ganz im Sinne der SVP abgestimmt. Er ist gar nicht von der Parteilinie abgewichen. Aber es gab eben zwei Parteilinien: Es gab die Fraktion, die die Interessen der Banken vertrat und es gab die Fraktion, die die Linie der eidgenössischen Finanzverwaltung von Bundesrat Ueli Maurer vertrat.
Tonangebend dürfte ja immer noch die Partei sein und nicht, was ein Bundesrat sagt.
Das Bundesgericht hat üblicherweise die Haltung, dass es die Meinung der Ämter übernimmt.
Im Parlament waren heute fast nur Nein-Stimmen zu hören. Und doch gab es einige «Nein, aber...» zu Ihrer Initiative. Im Parlament gibt es starke Strömungen, die etwas ändern wollen. Diese fordern zum Beispiel die automatische Wiederwahl von Bundesrichtern oder, dass Mandatsabgaben abgeschafft werden. Könnten Sie sich mit diesen Dingen einverstanden erklären und würden Ihre Initiative dann zurückziehen?
Jede Verbesserung und jede Desillusionierung ist zugunsten der Demokratie und des Volkes. Es kann und darf aber nicht sein, dass die Parteien in den Parlamenten die Richter bestimmen.
Das Losverfahren ist für Sie also ein Muss?
Ja. Die 130'000 Unterschriften, die wir sammeln konnten, liessen sich nur über den Weg dieses qualifizierten Losverfahrens gewinnen.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.