- Die Justiz-Initiative hat im Nationalrat wenig Rückhalt. Diese fordert, Bundesrichterinnen und Bundesrichter künftig im Losverfahren zu bestimmen.
- Zwar hat die grosse Kammer nach der gut zweistündigen Debatte noch keine Entscheide getroffen. Die Stimmungslage ist aber deutlich: Die Mehrheit sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
- Definitiv entscheiden über die Initiative und die Minderheitsanträge wird der Nationalrat am kommenden Dienstag. Dann äussern sich weitere Rednerinnen und Redner und Justizministerin Karin Keller-Sutter.
«Das Bundesgericht ist kein Casino und die Bundesrichter keine Glücksritter», sagte Vincent Maitre (die Mitte/GE), Sprecher der Rechtskommission des Nationalrats (RK-N). Die Initiative würde mehr Probleme mit sich bringen, als sie löst. Auch Barbara Steinemann (SVP/ZH) hielt namens der RK-N fest, dass sich das Parlament seit je bemühe, die politischen Verhältnisse im Bundesgericht abzubilden.
«Bürgerliche Abgeordnete wählen linke Richter, Linke wählen Bundesrichter mit bürgerlichem Hintergrund. Das wird von niemandem infrage gestellt», so Steinemann. Das schweizerische Richtersystem habe sich bewährt. Eine Ernennung von Richterinnen und Richter nach dem Zufallsprinzip hingegen würde die Akzeptanz des Bundesgerichts schmälern. «Das heutige System mag nicht perfekt sein, alle Alternativen sind es aber noch weniger.»
Diese Grundstimmung in der Rechtskommission wurde von den Fraktionssprechern bestätigt. Die Mehrheit will eine sanfte Reform des Wahlverfahrens nicht vorneweg ausschliessen. Die Initiative sei aber «schlicht unseriös», wie es Philipp Matthias Bregy (CVP/VS) im Namen der Mitte-Fraktion ausdrückte. Mit dem Losverfahren sollten weiterhin Fussball-WM-Gruppen oder Tombola-Gewinner bestimmt werden, «aber sicherlich keine Bundesrichter».
Änderungsideen in Ruhe anschauen
Auch Christoph Eymann (LDP/BS) plädierte im Namen der FDP-Fraktion für den Status quo: Das heutige Wahlverfahren garantiere die grösstmögliche Mitsprache des Volkes. Dieses System habe sich bewährt, die Unabhängigkeit sei gegeben. «Es ist nicht alles im Lot, aber wir müssen auch nicht alles über den Haufen werfen», sagte Beat Flach (GLP/AG).
Pirmin Schwander (SVP/SZ) machte in seinem Fraktionsvotum seinem Ärger Luft, wonach Richterdelegationen heute jegliche kritische Auseinandersetzung im Keim erstickten. Dabei sei klar, dass die heutige Aufsicht über die Bundesgerichte nicht gut funktioniere. «Wir können nicht einfach wegschauen.» Lösungen müssten aber mit den bestehenden Strukturen und Institutionen gefunden werden.
Unter dem Strich anerkennt der Nationalrat einen gewissen Handlungsbedarf, etwa bei den heute festgesetzten Abgaben der Mandatsträger an die politischen Parteien oder der aktuell vorgesehenen Wiederwahl der Bundesrichterinnen und -richter nach sechs Jahren im Amt. Diese möglichen Schritte müssten aber in aller Ruhe geprüft werden.
Linke pochen auf rasche Reformen
Der Ratslinken und der GLP geht das zu wenig schnell. Sie sind der Auffassung, dass Verbesserungen auf Gesetzesebene jetzt möglich und wünschenswert seien. Min Li Marti (SP/ZH) beantragt deshalb, das Geschäft an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten. «Die Initiative schürt Misstrauen, das nicht gerechtfertigt ist», hielt Marti fest. Das Volksbegehren nehme aber durchaus diskutable Punkte auf.
Die Diskussion im Nationalrat wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.