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Bundesverwaltungsgericht Erdogan beleidigen gibt kein Asyl in der Schweiz

Wem in der Türkei ein Strafverfahren wegen Präsidentenbeleidigung droht, hat allein damit noch keinen genügenden Asylgrund. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Der konkrete Fall: Ein Kurde aus der türkischen Provinz Şırnak stellte in der Schweiz ein Asylgesuch, mit der Begründung, in der Türkei werde gegen ihn – aus politischen Gründen – wegen Terrorpropaganda und Präsidentenbeleidigung ermittelt. Nachdem die türkische Luftwaffe das kurdische Autonomiegebiet in Syrien bombardiert hatte, habe er Recep Erdogan in den sozialen Medien als «Killer» bezeichnet. Zudem habe er in der Schweiz an Protesten gegen die türkische Regierung teilgenommen. Das Staatssekretariat für Migration SEM lehnte sein Asylgesuch ab, der Mann sei kein Flüchtling, er müsse zurück in die Türkei. In einem heute publizierten Urteil, das nicht weitergezogen werden kann, stützt das Bundesverwaltungsgericht diesen Entscheid.

Argumente des Bundes­verwaltungs­gerichts: Laut Bundesverwaltungsgericht gibt es vermehrt Missbräuche: Türkische Asylsuchende publizierten häufig erst nach der Ausreise aus der Türkei kritische Äusserungen in den sozialen Netzwerken, um sich Vorteile im Asylverfahren zu verschaffen und sich ein Aufenthaltsrecht in Westeuropa zu sichern. Wenn gegen sie in der Türkei Ermittlungen eingeleitet würden, stelle das noch keine begründete Furcht vor zukünftiger Verfolgung im Heimatstaat dar, so das Bundesverwaltungsgericht.

Was das Urteil bedeutet: Asylsuchende aus der Türkei werden nicht mehr einzig aufgrund der Tatsache als Flüchtlinge anerkannt, dass im Heimatstaat Ermittlungen wegen «Präsidentenbeleidigung» oder «Propaganda für eine terroristische Organisation» hängig sind.

Ein Mann legt einem anderen Mann einen Orden um den Hals
Legende: Lieber Orden als Beleidigungen: Der türkische Präsident Recep Erdogan bekommt vom kirgisischen Präsidenten einen Orden verliehen. EPA/IGOR KOVALENKO

Änderung der Praxis: Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht zwei türkische Provinzen für sicher erklärt. Die schweizerische Asylpraxis ging bisher davon aus, dass abgewiesene Asylsuchende nicht in die Provinzen Şırnak und Hakkâri ausgeschafft werden können, weil das aufgrund der allgemeinen Gewalt unzumutbar sei. Das Gericht hat die Sicherheitslage neu beurteilt: Demnach seien Ausschaffungen in diese Provinzen nicht mehr generell ausgeschlossen, die Zumutbarkeit müsse individuell geprüft werden.

So geht es weiter: Der Entscheid ist abschliessend und hat grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Situation in der Türkei durch die versammelte Richterschaft analysieren lassen. Dieser sogenannte «Koordinationsentscheid» ist über den Einzelfall hinaus für eine Mehrzahl von Verfahren gültig.

Das sagen Kritiker: Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kommt zu einem ganz anderen Schluss. Laut einer Studie von Pro Asyl, an der die SFH mitgewirkt hat, wird die Strafverfolgung in der Türkei dazu eingesetzt, regierungskritisches Handeln zu verhindern. Die Verfahren seien oft unfair, es würden zum Beispiel Beweise fabriziert. Oft reiche schon ein Beitrag im Internet oder der Besitz eines bestimmten Buches, um als Teil einer terroristischen Gruppe zu gelten.

Bundesverwaltungsgericht E-4103/2024

Audio
Archiv: Türkei: Regierung schaltet kritischen Radiosender ab
aus Rendez-vous vom 17.10.2024. Bild: EPA/ANDREJ CUKIC
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SRF 4 News, 15.11.2024, 12 Uhr

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