Recycling-Beton aus Kriegstrümmern oder Operationssäle in Bunkern: Im CAS «Wiederaufbau Ukraine» an der Berner Fachhochschule entwickeln Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Projekte, mit denen sie den Wiederaufbau ihrer zerstörten Heimat vorantreiben könnten.
Jetzt weitet die Berner Fachhochschule den Studiengang «Rebuild Ukraine» mit Unterstützung des Bundes aus: Sie bietet die Weiterbildung im Online-Fernstudium für Ukrainerinnen und Ukrainer an, die in ihrer Heimat oder im Ausland leben.
Ebenso soll der Studiengang dereinst in der Ukraine weitergeführt werden. Ziel ist, «Führungskräfte des Wandels» für die Nachkriegsukraine auszubilden. Die Teilnehmenden sollen mit Unterstützung von Schweizer Firmen und Hochschulen reale Wiederaufbauprojekte für die Ukraine mitgestalten.
Ukrainisches Baugesetz bremst Schulhaus-Projekt aus
Studentin der ersten Stunde ist Nataliia Terekhova, die mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann in Thun lebt. Die Bau-Projektmanagerin absolvierte den ersten CAS-Kurs im Frühling 2023.
«Ich will helfen, mein Land wiederaufzubauen», sagte sie beim Studienstart zu SRF. Seither haben Studierende aus der Ukraine in zwei Ausgaben des Studiengangs zwölf Wiederaufbauprojekte entwickelt.
Bei der konkreten Umsetzung warten jedoch unerwartete Fallstricke. Terekhova hat ein Projekt entwickelt, um zerbombte Schulhäuser durch Holzbauten zu ersetzen.
Ukrainische Gesetze machen ihr vorerst einen Strich durch die Rechnung. «Es ist in der Ukraine aus Brandschutzgründen nicht erlaubt, Schulgebäude aus Holz zu bauen», sagt sie. Man arbeite nun darauf hin, dass die ukrainischen Behörden die Vorgaben lockern.
Andere Projekte der CAS-Weiterbildung haben es ebenfalls in sich: Ukrainische Studierende tüfteln etwa an multifunktionalen Zivilschutzräumen für Kindergärten in Kiew, Biogas-Anlagen bei Abwasserreinigungsanlagen oder modularen Behindertenheimen.
Mangelnde Deutschkenntnisse als Job-Hindernis
Im Berufsalltag in der Schweiz Fuss zu fassen, ist trotz ihrer Weiterbildung an der Berner Fachhochschule schwierig. Nataliia Terekhova ist derzeit auf Jobsuche, sie hat nach ihrem Praktikum bei einer Berner Baufirma noch keine Anschlusslösung gefunden.
Sie spricht zwar gut Englisch, ihre Deutschkenntnisse sind aber noch nicht ausreichend. «Gerade auf dem Bau ist dies ein grosses Hindernis», sagt Studiengangsleiter Thomas Rohner. Die Fachkenntnisse hingegen seien «zu 100 Prozent» vorhanden.
Wir versuchen, im Moment zu leben.
Und so lebt Nataliia Terekhova mit ihrer Familie weiter im Ungewissen, nicht nur wegen der beruflichen Zwangspause. Mit ihrem temporären Schutzstatus S kann sie sich in der Schweiz keine Zukunft aufbauen. Wegen des Krieges kann sie aber nicht zurück in ihre Heimat. «Wir versuchen, im Moment zu leben», so die 39-Jährige.
Flüchtlinge ausbilden, damit sie nach Hause können
Der Studiengangsleiter und emeritierte Professor Thomas Rohner hat derweil grössere Pläne. Neben den neuen Fernstudiengängen will er ein Ausbildungszentrum für Geflüchtete einrichten, seien es Kriegs-, Klima- oder Wirtschaftsflüchtlinge. «Wir wollen solche Leute gezielt ausbilden, dass sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können.»