Im Rahmen der jährlichen UNO-Generaldebatte traf gestern Bundespräsident Ignazio Cassis den russischen Aussenminister Sergej Lawrow. Das russische Aussenministerium veröffentlichte daraufhin ein Bild, auf welchem die beiden Politiker händeschüttelnd posieren und Cassis gutgelaunt in die Kamera lächelt – ausgerechnet am Tag der Bekanntgabe der russischen Teil-Mobilmachung
Dieses Bild sorgt vielerorts für Unverständnis. Pascal Couchepin, alt Bundesrat und FDP-Parteikollege des Bundespräsidenten, kennt die Gepflogenheiten auf dem diplomatischen Parkett und hat für die Kritik kein Verständnis.
SRF News: Ein Foto zeigt, wie Aussenminister Cassis dem russischen Aussenminister Lawrow die Hand schüttelt und lächelt. Können Sie die Kritik an diesem Bild verstehen?
Pascal Couchepin: Nein, die Kritik ist lächerlich. Wir pflegen immer noch diplomatische Beziehungen zu Russland und dann gehört ein solches Begrüssungsfoto einfach dazu. Viel wichtiger ist, was Cassis mit Lawrow besprochen hat. Er hat Klartext gesprochen und die Scheinreferenden in den besetzten Gebieten kritisiert. Das ist, was wirklich zählt – nicht ein Lächeln oder ein Händedruck.
Es wäre ein grosser Affront, wenn Cassis zum russischen Aussenminister sagen würde, er wolle auf keinem Foto mit ihm abgelichtet werden.
Genau an dem Tag, an dem Russland die Teil-Mobilmachung bekannt gibt, zeigt sich Cassis lächelnd mit Lawrow. Das ist doch ein unglücklicher Zeitpunkt.
Gestern war die UNO-Generalversammlung. Am Rande traf sich Cassis mit Lawrow. Dass nun genau an diesem Tag die Teil-Mobilmachung bekannt wird, darauf kann Cassis doch keinen Einfluss nehmen. Ich sehe nicht, warum dies ein Problem sein soll. Ich empfinde auch nicht mehr viel Wertschätzung gegenüber Lawrow, aber er ist der russische Aussenminister. Es ist gut, dass die Schweiz mit Russland nach wie vor Gespräche führt.
Dass der Bundespräsident dabei lächelt, finden Sie nicht unpassend?
Wenn man einen Menschen trifft, zeigt man mit einem kleinen Lächeln positive Gefühle. Das ist normal und sollte hier jetzt nicht zum grossen Thema werden.
Wäre es nicht geschickter gewesen, auf das Foto zu verzichten? Ist das überhaupt möglich?
Nein. Dass es in einer solchen Situation ein Foto gibt, kann man kaum verhindern. Zudem wäre es ein grosser Affront, wenn Cassis zum russischen Aussenminister sagen würde, er wolle auf keinem Foto mit ihm abgelichtet werden. Das geht aus diplomatischen Gründen nicht.
Das Gespräch führte Primus Ettlin.