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Chinesische Überwachung «Auch in der Schweiz können wir nicht wirklich frei leben»

Der Bundesrat hat am Mittwoch einen Bericht publiziert, der zum Schluss kommt, dass China «mit grosser Wahrscheinlichkeit» Druck auf die in der Schweiz lebenden Exil-Tibeter und Exil-Uiguren ausübe. Die Rede ist von Überwachung, Infiltration der Gemeinschaften und Einschüchterung. Eine in der Schweiz lebende Uigurin erzählt, wie sich ein Leben unter chinesischer Beobachtung anfühlt.

Rizwana Ilham

Präsidentin des Uigurischen Vereins Schweiz

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Seit zwei Jahren ist Rizwana Ilham die Präsidentin des Uigurischen Vereins Schweiz. Der Verein zählt rund 100 Mitglieder. Insgesamt leben derzeit schätzungsweise gut 200 Uigurinnen und Uiguren in der Schweiz.

SRF News: Frau Ilham, wie fällt Ihre Reaktion auf den Bericht des Bundesrates aus?

Rizwana Ilham: Zunächst einmal bin ich sehr dankbar, dass der Bundesrat diesen Bericht überhaupt in Auftrag gegeben hat und dass er die Problematik ernst nimmt. Nun sollten auf die Worte aber dringend Taten folgen, es ist höchste Zeit.

Was meinen Sie damit, wie könnten solche «Taten» aussehen?

Es braucht eine bessere Unterstützung der Betroffenen. Viele Uigurinnen und Uiguren fühlen sich bislang völlig alleine gelassen. Es braucht Melde- und Schutzstellen. Ebenso müssen die Schweizer Behörden die chinesischen Repressionen konsequenter verfolgen. Und letztlich erwarten wir auch, dass sich die Schweiz politisch klar positioniert und eine unmissverständliche Haltung einnimmt gegenüber der Diskriminierung von Uigurinnen und Tibetern durch die chinesische Regierung. Dazu gehören auch Sanktionen.

Bericht des Bundes – weltweites Novum

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Erstmals hat eine Landesregierung wissenschaftlich untersuchen lassen, ob und wie sehr Exilgemeinschaften im eigenen Land von Überwachung oder Einschüchterung durch China bedroht sind. Mit dem Bericht beauftragt hat der Bundesrat ein Forschungsteam der Universität Basel.

Der Bericht kommt zum Schluss: Angehörige der tibetischen und uigurischen Diaspora werden in der Schweiz von Akteuren der Volksrepublik China überwacht, bedroht und teilweise unter Druck gesetzt.

Wie spüren Sie im Alltag den chinesischen Staat?

Auf vielfältige Weise. Die chinesische Regierung führt eine systematische Einschüchterungskampagne gegen Exil-Uiguren durch. Wir werden ständig überwacht und drangsaliert. An Veranstaltungen, die wir organisieren, tauchen Menschen auf, die Fotos von uns machen. Es gibt immer wieder Cyber-Angriffe, von mir persönlich existieren in den sozialen Medien diverse Fake-Profile. Und auch über unsere in Ostturkestan lebenden Familien wird Druck ausgeübt.

Sie drohen uns: Wenn wir nicht schweigen, dann könnte das Nachteile haben – für uns oder für unsere Familien.

Können Sie ein Beispiel machen?

Man erhält beispielsweise plötzlich einen Video-Call von einem Familienmitglied, und daneben steht ein Polizist in Uniform. Das Ziel von solchen Aktionen ist klar: Die chinesische Regierung will uns einschüchtern, damit wir nichts mehr zu den Vorgängen in China sagen. Und sie drohen uns: Wenn wir nicht schweigen, dann könnte das Nachteile haben – für uns oder für unsere Familien.

Protestierende mit Schildern für Rechte der Uiguren und Tibeter.
Legende: Ein Protestmarsch für die Rechte von Uiguren und Tibetern in Genf im Jahr 2022. Keystone / MARTIAL TREZZINI

Verändert man dadurch sein Verhalten im Alltag?

Ja, leider. Ich zum Beispiel benutze keine chinesischen Apps und Kommunikationskanäle. Und es gibt Familienmitglieder, mit denen ich nicht mehr kommuniziere, um sie nicht in Gefahr zu bringen.

Das tönt kompliziert.

Es ist vor allem psychisch belastend. Andere Menschen gehen in den Sommerferien ihre Verwandten in der Heimat besuchen, wir können das nicht. Es gibt Uigurinnen und Uiguren, die seit Jahrzehnten in der Schweiz leben, die hierher geflohen sind, um ein freies Leben führen zu können. Und trotzdem sind sie den chinesischen Staat auch in der Schweiz nie losgeworden, sie müssen auch hier bei jedem Schritt und jeder Äusserung aufpassen. Diese ständige Bedrohung führt dazu, dass viele Exil-Uiguren unter Angst und psychischem Stress leben. Das bedeutet einen permanenten Ausnahmezustand, der langfristig traumatische Folgen hat.

Das Gespräch führte Philipp Schrämmli.

Das sagt China zum Bericht des Bundesrates

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Gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP sagte ein Sprecher Chinas am Donnerstag, dass China den Bericht zur Kenntnis genommen habe. Beim Umgang mit den Uiguren und Tibetern handle es sich um innerchinesische Angelegenheiten.

Wenn in dieser Sache nun Verunglimpfungen und Verleumdungen vorgebracht würden, widerspreche dies dem Grundprinzip des gegenseitigen Respekts in den Beziehungen zwischen China und der Schweiz.

SRF 4 News, 13.2.2025, 6:20 Uhr ; 

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