Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU gehen in die heisse Phase. Bis Ende Jahr soll der Durchbruch gelingen. Der EU-Botschafter in der Schweiz, Petros Mavromichalis, steht im «Club» Rede und Antwort zu den Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz.
SRF News: Petros Mavromichalis, Sie sind seit vier Jahren in der Schweiz. Was lieben Sie an der Schweiz und was stört Sie an der Schweiz?
Petros Mavromichalis: Ich liebe dieses Land. Die Einwohner sind nett und gut ausgebildet. Es gibt nichts, das mich stört. Aber ich bin es ein bisschen müde, mit der Schweiz immer über dieselben Themen zu sprechen, über die wir seit fast 20 Jahren sprechen.
Die Verhandlungen um ein neues Abkommen dauern inzwischen zehn Jahre. Warum ist das aus Ihrer Sicht so schwierig?
Die Probleme sind da, weil man nicht den Mut hat, sie zu lösen und sich für ein Modell zu entscheiden.
Wer hatte nicht den Mut, die Probleme zu lösen?
Ich will nicht sagen, wer. In der Schweiz haben Sie die direkte Demokratie. Am Ende müssen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über das ausgehandelte Abkommen entscheiden. Die EU ist offen für verschiedene Modelle. Wir unterstützen die Schweiz in ihrer Wahl. Vor vielen Jahren war die Schweiz eine mögliche EU-Beitrittskandidatin. Sie wäre willkommen gewesen. 1992 hat die Schweiz den EWR-Beitritt an der Urne abgelehnt. Jetzt haben wir diese institutionelle oder bilaterale Beziehung, welche für uns auch passt. Weil sie damals als vorläufige Lösung gedacht war, wurden die institutionellen Fragen offengelassen. Diese müssen wir nun lösen, um den bilateralen Weg fortzuführen.
Die EU hat so viele Beamte wie eine mittelgrosse Stadt in Europa. Zum Vergleich: Die Stadt Zürich hat 30’000 Mitarbeitende für 400’000 Einwohner. Also, was ist ein bürokratischer Moloch?
Laut einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFS Bern sagen 83 Prozent der Stimmberechtigten in der Schweiz, die EU sei ein bürokratischer Moloch. Gibt Ihnen das zu denken?
Es gibt mir zu denken, dass man in der Presse Dinge lesen kann, die nicht stimmen. Die EU hat so viele Beamte wie eine mittelgrosse Stadt in Europa. Alle Institutionen der EU zusammen, die 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern dienen, haben weniger als 50'000 Mitarbeitende.
Es gibt Beispiele, wo die Schweiz als Rosinenpickerin gesehen werden könnte.
Zum Vergleich: Die Stadt Zürich hat 30’000 Mitarbeitende für 400’000 Einwohner. Also, was ist ein bürokratischer Moloch? Die Umfrage von GFS Bern zeigt übrigens auch, dass 71 Prozent der Schweizer diese Verhandlungen mit der EU unterstützen.
Auf EU-Ebene gibt es immer Diplomaten, welche sagen, die Schweiz sei eine Rosinenpickerin. Geht man so mit Freunden um?
Das ist nichts Negatives. Wir sind alle Rosinenpicker, wenn wir es uns leisten können.
Rosinenpicken ist klar negativ konnotiert – ist die Schweiz eine Rosinenpickerin?
Manchmal ist das schon der Fall. Es gibt Beispiele, wo die Schweiz als Rosinenpickerin gesehen werden könnte.
Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 6. November noch einmal über das EU-Dossier beugen und letzte Richtungsentscheide vornehmen. Sind Sie zuversichtlich, dass man die Verhandlungen noch dieses Jahr abschliessen kann?
Ich bin sehr zuversichtlich. Und diese Beziehung ist sehr wichtig für uns. Wir brauchen einander. Wir teilen Werte, Kultur und Demokratie. Wir teilen den Schutz der Umwelt. Alles das ist viel wichtiger als die kleinen technischen Themen, die uns auseinanderdividieren.
Das Gespräch führten Peter Düggeli und Mirjam Weidmann.