Laut, schrill und unbewilligt zogen Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen im vergangenen Herbst Donnerstag für Donnerstag durch die Stadt Bern. Sie verschafften ihrem Ärger über das Pandemie-Management der Behörden Luft. Polizisten, Wasserwerfer und Verkehrsdienst kosteten den Staat Abend für Abend rund 200'000 Franken.
Demonstrieren sei legitim, aber nicht unbewilligt und auch nicht 20 Mal zum gleichen Thema, befand der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Öffentlichkeitswirksam sinnierte der Gemeinderat, renitente und gewalttätige Teilnehmende der Demonstrationen an den Kosten für das Sicherheitsdispositiv zu beteiligen. Eine solche Kostenüberwälzung ist seit Juni 2020 im Berner Polizeigesetz verankert.
Recherchen von «Schweiz aktuell» zeigen, dass die Stadt Bern basierend auf rechtskräftigen Verurteilungen nun sechs Demonstrationsteilnehmenden Verfügungen zur Kostenüberwälzung zugestellt hat. Die Stadt Bern fordert je nach individueller Kostenverursachung eine Gebühr in der Höhe von 200 bis 1000 Franken. «Diese Personen haben Gewalt angewendet und zum Teil auch Sicherheitsleute angegriffen», sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause.
Möglich, dass noch weitere Teilnehmende demnächst Verfügungen erhalten. Laut Reto Nause sind weitere Verfahren hängig.
Mit der Kostenbeteiligung von 200 bis 1000 Franken schöpft die Stadt Bern den Kostenrahmen des kantonalen Polizeigesetzes von 10'000 bis 30'000 Franken bei Weitem nicht aus. Benjamin Schindler, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, verwundert dies nicht. Erstens sei es bei besagten Corona-Demonstrationen zu keiner exzessiven Gewalt gekommen. Und zweitens habe das Bundesgericht bereits beim Erlass festgehalten, dass man nicht sämtliche Sicherheitskosten auf Private übertragen könne.
Die Kostenüberwälzung sei als präventives Signal an Einzelpersonen zu verstehen, damit diese nicht mehr an solchen Kundgebungen teilnehmen würden. Bei einer Bestätigung der Kostenverfügung durch Gerichte ist für Schindler jedoch denkbar, dass die Stadt Bern die Gebühren künftig leicht erhöhen könnte.
Ein Fall fürs Bundesgericht?
Dem Gegner der Corona-Massnahmen, Nicolas Rimoldi, stösst sauer auf, dass die rot-grün regierte Stadt Bern offenbar gerade an ihnen ein Exempel statuieren wolle. «Die eigene Klientel, der schwarze Block, wird hingegen verschont», sagt der Präsident der Bewegung Mass-voll.
Dem widerspricht der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. «Wir müssen jeden Fall als Einzelfall anschauen. Klar ist: Von diesen Kostenüberwälzungen wollen wir auch in Zukunft Gebrauch machen.»
Dass die neue Praxis der Kostenüberwälzung bei allen unbewilligten Demonstrationen mit Gewalt zur Anwendung kommen soll, ist die Befürchtung der linksgericheteten Vereinigung Demokratische Juristinnen und Juristen. Sie sehen in der Kostenüberwälzung weiterhin eine bedenkliche Beschneidung der Grundrechte und wollen die Verfügungen bis hin zum Bundesgericht überprüfen lassen.
Der Kanton Bern blickt der Überprüfung durch die Gerichte gelassen entgegen. Der bernische Sicherheitsdirektor Philippe Müller rechnet nicht damit, dass der Kanton Bern von den Gerichten zurückgepfiffen wird. «Schliesslich wurde die Regelung vom Stimmvolk deutlich angenommen.»