Corona führt in Europa abermals zum Streit – dieses Mal wegen der Skigebiete und der Frage, ob diese überall bis Januar geschlossen bleiben sollen. In der Schweiz ist eine Schliessung derweil gar kein Thema. Doch wie gross ist das Risiko, sich beim Skifahren anzustecken?
SRF: Wie gefährlich ist Skifahren bezüglich Corona?
Emma Hodcroft: Auf Skis einen Berg herunterzufahren ist diesbezüglich natürlich sehr sicher. Sorge bereiten müssen uns die Skilifte und die Restaurants. Man kann diese Orte sicherer machen, indem man für eine bessere Lüftung sorgt und die Anzahl Menschen reduziert. Das Problem sind die unterschiedlichen Interessen. Die Betreiber müssen genügend Gäste haben, damit es sich wirtschaftlich lohnt, aufzumachen. Die Frage ist, ob dies im Widerspruch steht mit dem, was wir tun müssen, um das Skifahren «corona-sicherer» zu machen.
Wir müssen die Bedingungen, unter denen Skiorte öffnen, anpassen. Tun wir nichts, besteht die Gefahr, dass dort Risikogebiete für eine Virus-Übertragung entstehen. Hinzu kommt, dass derzeit nicht für sehr viele Länder eine Quarantänepflicht bei der Einreise in die Schweiz gilt. Als Reiseziel für die Skiferien kann die Schweiz also sehr attraktiv sein.
In mehreren Ländern wird darüber diskutiert, den Saisonbeginn zu verschieben und dies auf europäischer Ebene zu koordinieren. Was würde es bedeuten, wenn die Schweiz eines von wenigen Ländern wäre, das seine Skigebiete offen hat?
Wir würden Gefahr laufen, dass Touristen aus ganz Europa in die Schweiz kommen – darunter auch Menschen, die infiziert sind und die das Coronavirus hierzulande verbreiten könnten. Bei unserer Forschungsarbeit haben wir kürzlich eine neue Variante des Virus entdeckt, die im Sommer auftauchte und sich von Spanien aus in ganz Europa – auch in der Schweiz – verbreitete. Dass sich dies nun in den Skiferien wiederholt, sollten wir sicher vermeiden.
Es wäre also sinnvoll, wenn es eine länderübergreifende Koordination gäbe?
Ja – damit wir sicherstellen können, dass es nicht eine überproportionale Reisetätigkeit in ein einzelnes Land gibt. So wie das im Sommer in Spanien passiert ist und was am Ende dieser neuen Virus-Variante erlaubt hat, sich so erfolgreich in ganz Europa zu verbreiten. Das müssen wir im Auge behalten. Selbst dann, wenn eine solche Absprache zustande kommt. Hoffentlich können wir zuwarten, bis die Fallzahlen in Europa überall heruntergehen und dann ein besseres Konzept auf die Beine stellen, damit Skifahren weniger riskant ist.
Wie sollte die Situation bezüglich Fallzahlen aussehen, damit die Skigebiete überall öffnen können?
Die Fallzahlen müssten sehr viel tiefer sein als heute. Das gilt für fast jedes Land in Europa. Wir sind nicht über den Berg, auch wenn es in einigen Ländern in den letzten Wochen Lockdowns oder andere Einschränkungen gab. Die Fallzahlen liegen noch immer über dem, was wir in den meisten Ländern mit den Test- und Contact-Tracing-Systemen handhaben können. Solange das nicht gelingt, ist es sehr gefährlich, die Leute zum Reisen zu ermuntern. Doch selbst bei tiefen Fallzahlen braucht es Massnahmen, die das Ansteckungsrisiko senken.
Über einen gewichtigen Punkt wird zu wenig diskutiert: die Virus-Verbreitung über Aerosole.
Die Schweizer Skigebiete sind der Ansicht, ihre Massnahmen würden ausreichen. Würden Sie heute in der Schweiz Ski fahren gehen?
Ich denke nicht. Denn über einen gewichtigen Punkt wird zu wenig diskutiert: die Virus-Verbreitung über Aerosole. Also kleinste Partikel, dir wir beim Sprechen, beim Atmen ausstossen. In ungenügend belüfteten Innenräumen können sich diese Aerosole ansammeln – insbesondere, wenn sich dort viele Menschen aufhalten. Händewaschen oder Abstand halten nützt da nichts, da sich diese Tröpfchen im ganzen Raum verbreiten können.
Führen Sie sich vor Augen, wie es um die Mittagszeit in den Bergen aussieht: Es kann eng werden, und da es die Menschen warm haben wollen, wird meist auch nicht besonders gut gelüftet. Realistisch betrachtet ist das also wahrscheinlich nicht besonders sicher.
Das Gespräch führte Marc Allemann.