Die Pandemie ist aus vielen Köpfen verschwunden, die Staatsanwaltschaften allerdings hält Corona erst jetzt so richtig auf Trab. Alleine in Basel-Stadt laufen rund 200 Verfahren gegen Firmen, die verdächtigt werden, Unterstützungskredite wegen des Lockdowns unrechtmässig beantragt oder verwendet zu haben. Die Summe der zweifelhaften Kredite liegt hier bei etwa 20 Millionen Franken.
Landesweit weist das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco per Mitte Januar gut 2400 pendente Fälle von Strafanzeigen wegen solcher Betrügereien aus, mit einer Deliktsumme von insgesamt über 285 Millionen Franken. Erledigt wurden in der ganzen Schweiz bisher 1075 angezeigte Fälle.
Die Basler Staatsanwaltschaft hat drei befristete Stellen zusätzlich schaffen müssen, um den Berg von Covid-Fällen laufend abzutragen. Aktuell rechnet sie damit, bis in drei Jahren alles erledigt zu haben. Bis die Gerichte damit durch sein werden, wird es weitere Jahre dauern.
Getrickst wurde beim Kreditantrag bei diversen Angaben. Der Löwenanteil entfällt auf Unwahrheiten, wie Firmen Kredite verwenden wollten und welchen Umsatz sie üblicherweise erzielten. Weil die Notkredite maximal zehn Prozent des Umsatzes betragen durften, wurden oft überhöhte Umsatzzahlen angegeben. Bei nachfolgenden Kontrollen – zum Beispiel anhand von Mehrwertsteuerabrechnungen – flogen sie auf.
Bundesweit zeichnet sich gemäss den erledigten Fällen ab, dass in der Baubranche die Versuchung am grössten war: Diese liegt mit knapp 29 Prozent der bisher fast 600 verurteilten Covid-Kreditbetrüger klar an der Spitze. Dahinter folgt die Gastronomie mit 14 Prozent.
Querbeet ist jede Branche betroffen.
Covid-Kreditbetrug war aber keine Bau- und Beizen-Exklusivität: «Querbeet ist jede Branche betroffen», sagt Thomas Hofer, der in der Basler Staatsanwaltschaft die Untersuchungen zu den Covid-Krediten leitet. Es gehe auch nicht nur um Einzelfirmen, sondern auch um Aktiengesellschaften, teils mit vielen Angestellten.
Wegen Notstands-Schliessung kein Umsatz
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Bild 1 von 6. Wegen der Corona-Schutzmassnahmen des Bundesrates mussten am 16. März 2020 alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte und Dienstleistungen sofort schliessen – wie hier ein grosses Möbelhaus in Pratteln (BL). Bildquelle: Keystone/Georgios Kefalas.
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Bild 2 von 6. Auch Kunstmuseen mit grossem Publikumsandrang wie die Fondation Beyeler in Riehen (BS) mussten vorübergehend dicht machen. Bildquelle: Keystone/Georgios Kefalas.
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Bild 3 von 6. Wie lange die strikten Schutzmassnahmen galten, war zunächst unklar, auch für diese Beiz in Luzern. Covid-19-Kredite beantragen konnten Firmen im Nachgang für die Zeit vom 26. März bis 31. Juli 2020. Bildquelle: Kexstone/Urs Flüeler.
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Bild 4 von 6. Manche Restaurants versuchten, sich mit Angeboten über die Gasse und Heimlieferungen über Wasser zu halten, wie dieses in Stans (NW). Dabei waren jedoch oft die Erträge kleiner und der Aufwand grösser als sonst. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 5 von 6. Der Bundesrat ordnete die Gefahr damals der höchsten Stufe gemäss Epidemiengesetz zu, nachdem die WHO Covid als «Notfall» erklärt hatte. So war «Notstand» häufig an geschlossenen Türen notiert, wie hier an einem Zürcher Kleiderladen. Bildquelle: Keystone/Alexandra Wey.
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Bild 6 von 6. Angesichts des ausgerufenen Notstandes blieben viele Menschen vorsichtshalber zu Hause. So herrschte im Zürcher Niederdorf am Samstag, 21. März 2020 ungewohnt gähnende Leere. Bildquelle: Keystone/Alexandra Wey.
Manche hätten aus Verzweiflung unzulässig Geld abgeholt, weil ihr Unternehmen am Abgrund gestanden sei, erklärt Thomas Hofer. Andere aber hätten den Notgroschen für ein Leben in Saus und Braus verprasst, etwa Luxusautos gekauft.
Nicht überraschend stehen grosse Kantone mit vielen Firmen – namentlich Zürich und Waadt – an der Spitze punkto Zahl und Volumen der Hilfskredite. Ähnlich sieht die Rangliste bei den Strafanzeigen und der Deliktsumme aus: Leader Zürich hatte laut Seco Mitte Januar noch 485 offene Anzeigen im Umfang von knapp 60 Millionen auf dem Tisch. Am anderen Ende liegt Appenzell Innerrhoden mit einer Anzeige à 25'000 Franken.
Jetzt haben wir eine ziemlich gefestigte Gerichtspraxis.
Die Pandemie-Nothilfe war Neuland für die Kreditvergabe, aber auch die Strafverfolgung. Es habe keine Präzedenzfälle gegeben; diese hätten sich inzwischen entwickelt, sagt Thomas Hofer. «Jetzt haben wir eine ziemlich gefestigte Gerichtspraxis, auf der wir aufbauen.»
Die meisten Firmen waren ehrlich
Unter dem Strich hat der Bundesrat in einem Zwischenbericht vom November die Missbrauchs-Quote von 0.3 Prozent aller gewährten Covid-Hilfskredite als «bisher verhältnismässig tief» taxiert.
Wenn man die offenen Abklärungen einbeziehe, hätten sich 98 Prozent der Firmen nichts zuschulden kommen lassen, unterstreicht Martin Godel, im Seco verantwortlich für den Bereich KMU sowie die Covid-Kredite. Dies, obwohl die Kontrolle flächendeckend sei: «Jeder Fall wird geprüft.»