Der Peak der Coronapandemie ist zwar seit zwei Jahren überschritten, doch noch immer tun sich viele Menschen im Umgang mit anderen schwer. Man weiss nicht recht, ob man seinem Gegenüber nun die Hand geben soll oder nicht. Oder ob die drei Küsschen oder eine Umarmung zur Begrüssung einer Bekannten angemessen sind.
Was zwei Jahre nach der grossen Coronapandemie nicht mehr oder wieder salonfähig ist, haben wir eine Knigge-Expertin gefragt. Und was aus medizinischer Sicht Sinn macht, einen Infektiologen.
Ist Maske tragen wieder ein No-Go? Huldrych Günthard, leitender Arzt der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Unispitals Zürich, plädiert auf gesunden Menschenverstand. Zwar sei eine Maske das A und O, wenn man sich und andere vor einer Infektion schützen will.
Wer erkältet ist, sollte im ÖV oder beim Besuch im Spital eine Maske tragen.
Ein Must wie zu Coronazeiten sei die Maske aber nicht mehr, auch wenn im Moment viele krank sind: «Wer erkältet ist, sollte im ÖV oder beim Besuch im Spital eine Maske tragen, wer eine wichtige Prüfung vor sich hat und nicht krank werden will, ebenfalls.» Ganz so salonfähig wie auch schon ist das Masketragen allerdings nicht mehr, sagt Knigge-Expertin Katrin Künzle. «Während der Pandemie wurden die Leute angeschaut, die keine Maske trugen, jetzt ist es wieder umgekehrt.» Für sie gilt: «Jemand, der eine Maske trägt, sollte respektvoll behandelt werden. Allerdings sollte derjenige die Maske dann auch nicht im Restaurant beim Essen neben den Teller legen.»
Wenn man spürt, dass das Gegenüber keinen Handschlag will, dann sollte man das respektieren.
Wann ist Händeschütteln angebracht? «Dafür braucht es Feingefühl», sagt Katrin Künzle. Man soll auf die Körperhaltung des Gegenübers achten. «Wenn man spürt, dass das Gegenüber keinen Handschlag will, dann sollte man das respektieren.» Ansonsten gilt wie vor der Pandemie: Die ältere Person reicht der jüngeren die Hand, bei der Arbeit der Ranghöhere dem Rangniedrigeren. In der Arztpraxis entscheidet der Arzt, im Geschäft der Gastgeber. Für Huldrych Günthard spricht nichts gegen einen Händedruck: «Die Gefahr, sich durch Aerosole und Tröpfchen anzustecken, ist viel grösser», sagt der Infektiologe. Wer sein Risiko, sich oder jemanden anderes anzustecken, jedoch auf gegen Null senken will, der solle auf einen Handschlag verzichten.
Sind Begrüssungsküsschen passé? «Sollte man nicht machen, wenn man verschnupft ist», sagt Infektiologe Huldrych Günthard. Und das habe ja auch schon vor Corona gegolten. Die Knigge-Expertin beobachtet, dass das Drei-Küsschen-Phänomen seit der Pandemie weitgehend verschwunden ist. «Das freut manche richtiggehend. Und eine Umarmung reicht ja auch.»
Was ist der ideale Abstand zu anderen Menschen? Der eine oder die andere dürfte sich die Abstandsregeln, die während der Pandemie galten, wohl wieder zurückwünschen – etwa, wenn man in der Migros Schlange steht und man den Atem des Hintermannes beinahe im Nacken spürt.
Mit einer Armlänge Abstand ist den meisten von uns wohl.
«Viele Menschen merken nicht, wie viel Abstand andere Menschen brauchen und rücken einem auf die Pelle», sagt die Knigge-Expertin. Sie rät, eine Armlänge Abstand einzuhalten. «Dann ist den meisten von uns wohl.» Vergessen hätten viele Leute indessen auch, wie man niest und hustet. Da werde fröhlich in den Raum oder in die Hand geprustet. «Es wäre gut, wenn man sich da mal wieder die Corona-Regeln vor Augen führen würde», sagt die Knigge-Expertin. Da pflichtet der Mediziner bei: «Das wäre nur anständig.»