Die Affäre rund um Bundespräsident Alain Berset sorgt für öffentlichen Wirbel. Doch wie reagieren seine Bundesratskolleginnen und -kollegen auf den Verdacht, dass das Departement Berset während der Corona-Krise gewisse Medien privilegiert mit vertraulichen Informationen über Bundesratsgeschäfte informiert haben soll?
Finanzministerin Karin Keller-Sutter etwa sagt zum jetzigen Zeitpunkt. «Der Bundesrat hat sich darüber nicht ausgetauscht. Ich habe mich auch mit Herrn Berset darüber nicht austauschen können und möchte mich deshalb nicht äussern.»
Der Bundesrat hat sich darüber nicht ausgetauscht.
Eine interessante Aussage. Keller-Sutter sagt nicht einfach, dass sie sich nicht äussern wolle. Sondern sie begründet dies damit, dass sich der Bundesrat noch nicht damit beschäftigt habe. Damit scheint klar, dass der Bundesrat darüber reden wird.
Bundesratssitzung mit Spannung erwartet
Das sieht auch Aussenminister Ignazio Cassis so: «Ich bin überzeugt, dass das im Bundesrat thematisiert wird. Das werden wir sehen.» Berset wird sich einige Fragen gefallen lassen müssen. Etwa, ob er von den Vorwürfen wusste oder gar involviert war. Gegenüber der Öffentlichkeit nimmt er dazu mit der Begründung, dass es sich hier um ein Strafverfahren handle, keine Stellung.
Ich bin gespannt auf die Diskussion unter uns – um zu verstehen, was zurzeit läuft.
Ob Berset damit im Bundesrat auch durchkommt? Cassis sagt: «Ich habe das wie viele andere zur Kenntnis genommen. Ich bin gespannt auf die Diskussion unter uns – um zu verstehen, was zurzeit läuft.»
Die nächste Bundesratssitzung ist am kommenden Mittwoch. Man darf gespannt sein, ob die Bundesräte das Ganze danach etwas besser verstehen.
Ungeduld wächst – erste Rücktrittsforderungen
Mittlerweile stehen bereits erste Rücktrittsforderungen an den bislang beliebtesten Bundesrat im Raum, darunter auch eine aus dem Nationalrat von SVP-Politiker Alfred Heer. Insgesamt halten sich die bürgerlichen Parteien aber eher noch zurück.
Eine eigentliche Rücktrittskultur gibt es im Bundesrat nicht. In der Schweiz gelte der relativ seltene Fall, dass Regierungsmitglieder frei entscheiden könnten, ob sie zurücktreten wollten oder nicht, erklärt Marc Bühlmann, Professor am Institut für Politikwissenschaften an der Universität Bern.
Politologe: Druck auf Berset «sehr hoch»
Den Druck auf Berset schätzt Bühlmann zurzeit als «sehr hoch» ein: «Man darf nicht vergessen, dass man als Bundesrat auch Mensch und dauernd Kritik ausgesetzt ist. Das gilt für alle Bundesratsmitglieder.»
Diese Personalisierung in den Medien werde auch von den Parteien mitgetragen, wenn etwa ein Mitglied der Landesregierung für eine Abstimmungsniederlage mitverantwortlich gemacht werde. Das werde gepflegt, passe aber überhaupt nicht ins System, sagt Bühlmann.
Schmerzgrenze unterschiedlich
Dieser Druck könne auf persönlicher Ebene quasi als Mobbing aufgefasst werden und sehr schmerzhaft sein, ergänzt Bühlmann. Dabei sei die Schmerzgrenze von Person zu Person unterschiedlich und eine sehr dicke Haut für ein solches Amt zwingend. Denn man gehöre trotz Kollegium auch einer Partei an: «Angriffe direkt auf die Person muss man wegstecken können. Man muss sich aber auch im Kollegium aufgehoben fühlen, das zusammen Entscheide fällt und hinsteht.»