Peter Meier ist ein spiritueller Mensch. Der 75-Jährige ist nierenkrank, muss dreimal pro Woche zur Dialyse und sitzt im Rollstuhl. Die strahlend blauen Augen blicken aufmerksam, als er seine Gedanken zum Coronavirus erzählt.
Corona, die Krone, der König. Corona regiere nun die Welt, wolle sie ändern. Es habe Positives gebracht, alles sei langsamer, die Natur gesünder geworden, so Meier: «Mir kommt es vor, als ob der König eingreifen wollte, damit wir der Natur mehr Sorge tragen, nachdem wie Mutter Natur jahrzehntelang kaputtgemacht haben.»
Ein schwieriges Jahr – in jeder Hinsicht
Positive Gedanken eines Mannes, der ein noch unglaublicheres und einschneidenderes Jahr erlebt hat als die meisten von uns. Vor einem Jahr kam sein zweites Enkelkind zur Welt. Wegen Corona konnte er es dann kaum sehen. Im Sommer musste Peter Meier wegen einer Gürtelrose ins Spital. Er sei dem Tod nahe gewesen, doch habe er die Krankheit überwinden können.
Ende August kam er ins Pflegezentrum Lindenfeld in Suhr. Ein erneuter Schicksalsschlag in diesem Jahr: Seine Frau starb an Krebs. Seine spirituelle Art helfe ihm, mit den schwierigen Situationen umzugehen: «Ohne diesen Lebenshintergrund hätte ich diese Lebenssituation nicht meisten können. Vor allem, als die Quarantäne anfing und wir tagelang niemanden empfangen konnten. Das muss man aushalten können.»
Soviel Freiheit wie möglich – trotz Isolation
Freiheit vor Sicherheit – das ist die Devise im Lindenfeld. So wenig Einschränkungen wie möglich. Trotzdem ging es nicht ohne Quarantäne und Isolation.
Auch der 91-jährige Christian Hofer und seine beiden Zimmergenossen haben es erlebt: «Wir blieben im Zimmer, blieben fröhlich, sprachen miteinander und machten Spiele, da ging die Zeit vorbei», erzählt er. Eines Abends sei dann die Pflegerin gekommen und habe sie im Zimmer von der Maskenpflicht befreit, da sie negativ seien.
Wir blieben im Zimmer, blieben fröhlich, sprachen miteinander und machten Spiele, da ging die Zeit vorbei.
Mehrmals pro Woche erhält Christian Hofer Besuch von seiner Tochter. Im letzten Jahr konnten sie sich zum Teil nur durch die Scheibe sehen und telefonieren. Eine Zeit lang halfen Zivilschützer beim Skypen. Jetzt kann sie wieder neben ihrem Vater sitzen. Seit letzter Woche dürfen die Bewohner ihre Angehörigen auch wieder in der Cafeteria empfangen.
Das Heim habe es gut gemacht, sagen Christian Hofer und seine Tochter. Nur wenige Bewohnerinnen und Bewohner hatten Corona.
Bettlägerige traf es besonders hart
Dem pflichtet Peter Dietiker bei. Er ist seit drei Jahren bettlägerig. Die Quarantäne sei schlimm gewesen, kein Besuch, immer am gleichen Ort liegen: «Um mich machte ich mir keine Sorgen, weil ich hier gut aufgehoben bin. Aber um meine Angehörigen machte ich mir Sorgen.»
Um mich machte ich mir keine Sorgen, weil ich hier gut aufgehoben bin.
Peter Dietiker gehört zu den über 90 Prozent, die sich im Pflegezentrum impfen liessen. Damit dürften die alten Menschen bald noch mehr Freiheiten geniessen. Peter Dietiker wünscht sich die Gesichtsmasken weg: Dann könne er die Leute wieder besser verstehen, denn er höre trotz Hörgerät nicht mehr gut.
Ein Lichtblick
Die Maskenpflicht dürfte aber noch andauern. Hingegen könnten noch mehr soziale Kontakte möglich werden. Peter Meier, der Mann mit dem extremen Jahr, freut sich: «Es ist wunderbar, wenn wir wieder die Nähe der Angehörigen spüren können.» Die beiden Enkel auf dem Schoss sitzen haben und ihnen eine Geschichte erzählen. So wie es Grossväter in Zeiten ohne Corona normalerweise tun.