«Ich bin der SVP beigetreten, weil sie die einzige Partei ist, die gegen die Corona-Massnahmen kämpft», sagt Andreas Toscan aus Bätterkinden (BE). Der Medienunternehmer trägt stolz ein T-Shirt mit der Aufschrift «ungeimpft». Er ist in der Bewegung gegen die Corona-Massnahmen aktiv und nimmt an Demonstrationen teil.
Der gut vernetzte Massnahmengegner betont im Gespräch mit der «Rundschau»: «Ich bin nur wegen Corona der SVP beigetreten.» Er sei sonst nicht besonders an Parteipolitik interessiert. «Aber mit der Zertifikatspflicht hat der Bundesrat eine rote Linie überschritten», so das frisch gebackene Parteimitglied.
Die Partei vermeldet viele Neueintritte
«Wir haben in den letzten Monaten einen sehr starken Zuwachs an neuen Mitgliedern», sagt SVP-Nationalrat Marcel Dettling. Er ist einer der SVP-Wortführer in Sachen Corona: «Wir merken, dass sich die Leute an jemanden klammern, der auch ihre Meinung vertritt», sagt Dettling.
Er verneint, dass die SVP mit ihrer Coronapolitik aktiv versuche, Massnahmengegner für die SVP zu gewinnen. «Wir waren von Anfang an immer gegen überrissene Massnahmen», so Dettling. Die SVP habe ihre Linie nicht verändert und sei auch nicht umgeschwenkt.
Kehrseite – auch viele Parteiaustritte
Doch die Neueintritte sind nur eine Seite der Medaille. Ein Informant hat der «Rundschau» einen Stapel Austrittsbriefe an die SVP zugespielt. Austrittsgrund in fast allen Briefen: Die Coronapolitik der Partei.
«Keine Lösungen, nur Polemik», schreibt ein Parteimitglied, das der SVP nach «vielen Jahren» den Rücken kehrt. Ein anderes Mitglied schreibt, «der absurde Widerstand gegen die Zertifikatspflicht» habe für ihn das Fass zum Überlaufen gebracht.
Gemäss dem Informanten sind alleine dieses Jahr «Hunderte» aus der SVP ausgetreten. Gleichzeitig seien mehr «Massnahmengegner und Impfskeptiker» in die Partei geströmt. «Austritte gab es schon immer», sagt dazu Nationalrat Marcel Dettling. «Was zurzeit aber klar überwiegt, sind die Neueintritte.»
Freude an Ueli Maurer in der Trychlerkutte
Andreas Toscan ist genau ein solches Neumitglied. Er hat sich auch gefreut, dass Bundesrat Ueli Maurer vergangene Woche in einer Kutte der sogenannten «Freiheitstrychler» posiert hat. «Ueli Maurer hat damit gezeigt, dass er auf unserer Seite steht», sagt der aktive Massnahmengegner der «Rundschau».
Auf der anderen Seite ist Toscan enttäuscht, dass «nicht alle in der Partei mitziehen». Besonders ärgern Toscan SVP-Gesundheitsdirektoren wie Natalie Rickli (ZH) oder Jean-Pierre Gallati (AG), die vor vollen Spitälern warnen.
Besonders unter Druck: SVP-Gesundheitsdirektoren
Der Aargauer SVP-Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati appellierte vergangenen Freitag in Buchs (AG) an seine Parteibasis.
«Welche Pandemie in der Geschichte der Menschheit wurde erfolgreich mit dem Verabsolutieren der persönlichen Freiheit bekämpft?», fragte Gallati seine Basis. Es gebe Momente, in denen die persönliche Freiheit wohl limitiert werden müsse.
«Es geht darum, dass es möglichst wenig Ansteckungen gibt, damit die Spitäler nicht überlastet sind», sagte Gallati weiter.
Bei Andreas Toscan stossen solche Appelle auf taube Ohren. Das Neumitglied wünscht sich, dass seine Partei geschlossen gegen die Massnahmen kämpft.