Vor einem Monat hat der Bund ein neues Medikament gegen Covid-19 reserviert, das ziemlich wichtig werden könnte, jetzt, da die Fallzahlen ansteigen. Es heisst Sotrovimab und schützt Erkrankte vor einem schweren Verlauf.
Matteo Pizzuto ist Immunologe und stellvertretender Direktor von Humabs Biomed. Er zeigt, wo vor anderthalb Jahren alles begonnen hat: in einem Labor im 4. Stock des Business Centers von Bellinzona. Ein Roboter schiebt kleine Kunststoffplatten in ein Analysegerät. Jede hat 96 Vertiefungen, in denen sich ein paar Mikroliter Nährlösung befinden und vor allem: je eine Immunzelle. Auf sie kommt es an.
Die Immunzellen stammen aus dem Blut von Patienten, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben.
«Die Immunzellen stammen aus dem Blut von Patienten, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben», sagt Pizzuto. Ihr Immunsystem hat das Virus besiegt – unter anderem dank einer Unmenge verschiedener Antikörper, die es produziert. Humabs Biomed sucht in Millionen Immunzellen aus dem Blut einiger Patienten nach dem aktivsten Antikörper. Diesen Champion kann man dann künstlich herstellen und Infizierten spritzen.
Durch ein Fenster sieht man eine der Burgen von Bellinzona, aber niemand hier hat einen Blick dafür. Heute nicht und schon gar nicht in jenen hektischen Wochen Anfang 2020, als in China ein rätselhaftes Virus auftauchte und das Humabs Biomed-Team die Jagd nach einem Antikörper aufnahm, erzählt Filippo Riva, der Direktor.
«Es war hart. Wir sahen diese erschreckenden Bilder aus Bergamo und unsere Mitarbeitenden arbeiteten rund um die Uhr eng zusammen, obwohl wir kaum etwas über das Virus wussten und es keine Masken gab.»
Mehrjährige Erfahrung
Die Firma forschte schon einige Jahre an Antikörpermedikamenten. Sie hatte bereits einen solchen Wirkstoff gegen das tödliche Ebola-Virus entwickelt. Diese Erfahrung zahlte sich nun aus.
Denn die Forscherinnen und Forscher trafen Anfang 2020 eine Entscheidung, die sich heute als goldrichtig erweist: Sie suchten nicht im Blut der ersten Überlebenden der Sars-CoV-2-Infektion – sondern im Blut eines Menschen, der 17 Jahre zuvor das Sars-CoV-1-Virus überlebt hatte, erzählt Direktor Riva.
Ihnen sei schon damals klar gewesen: «Das Sars-CoV-2-Virus wird mutieren». Falls man einen Antikörper eines Sars-1-Patienten finden würde, der auch das verwandte Sars-CoV-2 bekämpfen könnte, hätte man dagegen eine Versicherung.
Denn dieser Antikörper greift eine Stelle des Virus an, die sich offensichtlich nicht verändert – vermutlich, weil sonst das Virus nicht mehr funktioniert. Darum schützt dieser Antikörper mit grösserer Wahrscheinlichkeit auch gegen zukünftige Mutanten.
Der Immunologe Christian Münz von der Universität Zürich lobt Humabs Biomed. Die Firma sei eine der besten ihres Fachs. «Allerdings muss dieser Antikörper schon recht früh in der Erkrankung gegeben werden, weil bei einem schweren Verlauf die Erkrankung massgeblich durch eine Überreaktion des Immunsystems zustande kommt.»
Spätestens zehn Tage nach den ersten Symptomen muss der Antikörper verabreicht werden. Darum wird er nur bei Risikopatienten eingesetzt.
Mittlerweile hat Humabs Biomed bereits weitere Antikörper identifiziert, die in Tests sogar gegen Corona-Viren aktiv sind, die bisher nur in Tieren vorkommen. Sie könnten eine Versicherung gegen zukünftige Pandemien sein.