Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) hat laut deutschen Medien dem Gesundheitsministerium in einem Schreiben mitgeteilt, dass Geimpfte kaum mehr Treiber der Pandemie sein dürften. Doch sind Geimpfte tatsächlich nicht mehr ansteckend? Thomas Häusler, Leiter der SRF-Wissenschaftsredaktion, zum aktuellen Stand der Forschung.
SRF News: Wie kommt das RKI darauf, dass Geimpfte das Virus kaum übertragen?
Thomas Häusler: Immer mehr Untersuchungen zeigen, dass die Impfstoffe nicht nur gegen eine Covid-19-Erkrankung schützen, sondern dass bei Geimpften auch viel weniger symptomlose Ansteckungen auftreten. In einer Studie aus den USA etwa wurde Gesundheitspersonal, das mit den Impfstoffen von Pfizer/Biontech oder Moderna geimpft wurde, 13 Wochen lang begleitet. Es zeigte sich, dass Menschen nach zwei Impfdosen 90 Prozent weniger mit dem Virus angesteckt wurden. Andere Studien haben gezeigt, dass die wenigen Geimpften, die angesteckt werden, deutlich weniger Viren im Nasenrachenraum aufweisen und darum vermutlich weniger ansteckend sind. So kann man zum Schluss kommen, dass doppelt Geimpfte kaum mehr ansteckend sein sollten.
Beim Impfstoff von Pfizer/Biontech gibt es schon länger entsprechende Studien. Wie sieht das beim Impfstoff von Moderna aus, den die Schweiz mehrheitlich verimpft?
Es gibt mehr Beobachtungsstudien mit dem Pfizer/Biontech-Impfstoff, weil Israel, das die meisten Daten geliefert hat, dieses Produkt verwendet. Es gibt aber mittlerweile auch Studien mit Moderna, die sehr ähnliche Resultate liefern. Anderes wäre auch erstaunlich, weil die beiden Impfstoffe sehr ähnlich sind.
Es ist auch eine Frage der Einschätzung, ob man aufgrund dieser Studien Geimpften bereits Erleichterungen gewährt.
Wie sicher sind solche frühen Erkenntnisse?
Insgesamt gibt es zu dieser Frage zwar noch keine wissenschaftlich wasserdichte Studie, weil diese sehr aufwändig sind. Doch die bisherigen Resultate zeigen alle in dieselbe Richtung. Es ist aber auch eine Frage der Einschätzung, ob man aufgrund dieser Studien Geimpften bereits Erleichterungen gewährt. Was Deutschland aufgrund des unveröffentlichten RKI-Papiers beschliesst, ist noch nicht bekannt. In Medienberichten ist aber die Rede davon, dass Geimpfte einkaufen können oder zum Coiffeur – mit Maske. Das unterscheidet sich kaum von dem, was bei uns sowieso alle dürfen.
Gibt es nach derzeitigen Erkenntnissen Unterschiede zwischen Geimpften und negativ Getesteten?
Das kommt sehr darauf an, von welchen Tests wir sprechen. Wenn jemand einen regulären PCR-Test gemacht hat, ist er mit Geimpften in Bezug auf eine mögliche Weiterverbreitung des Virus wohl vergleichbar – aber nur für kurze Zeit. Denn der PCR-Test ist nur eine Momentaufnahme, schon am nächsten Tag kann ein negativ Getesteter ansteckend sein. Hat jemand einen Schnelltest oder gar einen Selbsttest gemacht, so ist die Übertragungsgefahr, die von dieser Person ausgeht, grösser als jene von Geimpften. Denn diese Tests sind weniger empfindlich und verpassen häufiger eine Ansteckung.
Bei den Varianten, die zuerst in Südafrika und Brasilien entdeckt wurden, könnte die Wirkung der Impfstoffe vermindert sein.
Sollten Geimpfte tatsächlich nicht signifikant zur Weiterverbreitung des Virus beitragen, gälte das auch für die bekannten Mutationen?
Das ist eine wichtige Frage. Im Fall der bei uns vorherrschenden Variante B.1.1.7 ist das wahrscheinlich so. Bei den Varianten, die zuerst in Südafrika und Brasilien entdeckt wurden, könnte es hingegen anders sein. Bei diesen gibt es Hinweise, dass die Wirkung der Impfstoffe vermindert sein könnte. Und dies könnte sich auch auf die Weiterverbreitung des Virus durch Geimpfte auswirken.
Das Gespräch führte Raphael Rehmann.