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Covid – fünf Jahre danach «Krisen tragen dazu bei, sich weiterzuentwickeln»

Vor fünf Jahren erreichte die Covid-Pandemie die Schweiz. Zuerst gefordert war das Tessin. Mittendrin war der Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani. Im Interview blickt er zurück und sagt, wie man sich auf drohende neue Krankheitserreger vorbereitet.

Giorgio Merlani

Tessiner Kantonsarzt

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Merlani trat die Nachfolge von Ignazio Cassis als Tessiner Kantonsarzt an, als dieser 2008 in den Bundesrat gewählt wurde. Aufgewachsen ist der heute 56-Jährige in Lugano. In Zürich studierte er Humanmedizin. Er spezialisierte sich später auf Infektionskrankheiten, war über mehrere Jahre an den Universitätsspitälern von Zürich und Lausanne tätig, bevor er ins Tessin zurückkehrte und später eine eigene Praxis in Bellinzona eröffnete. 2008 trat er das Amt des Kantonsarztes an.

SRF News: Wären wir auf eine neue Pandemie vorbereitet, wären wir parat?

Giorgio Merlani: Was heisst vorbereitet sein? Kann man das überhaupt sein bei einer Pandemie? Die Auswirkungen einer neuen Pandemie wären sicher aus psychologischer Sicht sehr schwierig. Denn wir haben erst gerade eine Pandemiephase hinter uns, eine erneute Pandemie wäre deshalb verheerend.

Zwei Männer im Anzug unterhalten sich in einem Seminarraum.
Legende: Der Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani war zu Beginn der Corona-Pandemie im Rampenlicht. Hier im Gespräch mit Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). (11.3.2020) Keystone/Alessandro Crivari

Wir haben aber auch eine ganze Reihe von Erkenntnissen gewonnen. Diese werden in die neuen Pandemiepläne einfliessen. Es gibt viele Aspekte, die wir aus der letzten Krise gelernt haben und die relevant für die Zukunft sein werden.

Was hat man denn konkret gelernt aus der Pandemie?

Vieles, vor allem, was die Datenerhebung betrifft. Die epidemiologische Überwachung, die während dieser Phase stattgefunden hat, war aussergewöhnlich.

Wir haben in einer unglaublichen Geschwindigkeit Impfstoffe produziert.

Wir haben nun Daten, wie die Inzidenz, wir haben die Anzahl der Fälle für verschiedene Regionen, wir haben die ständige Überwachung der Abwasser. Wir haben eine ganze Reihe von Informationen, die wir vorher noch nie hatten. Und wir haben in einer unglaublichen Geschwindigkeit Impfstoffe produziert und an die Bevölkerung verteilt, was vor 2020 undenkbar war.

Mann spricht in Mikrofone.
Legende: Giorgio Merlani informiert an einer Pressekonferenz über den ersten Fall eines mit dem Coronavirus Infizierten im Kanton Tessin. (25.2.2020) KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gianinazzi

Welche Fehler hat man gemacht?

Einen Fehler zu machen bedeutet doch eigentlich, man macht etwas falsch im Bewusstsein, dass es falsch ist. Während der Pandemie fällte man jedoch Entscheide, welche sich erst im Nachhinein als nicht richtig herausgestellt haben.

Die Pläne basierten auf einer Grippe. Das ist etwas anders als das Coronavirus.

Das war ja auch die grösste Herausforderung der Pandemie. Schnell zu handeln und Entscheidungen zu treffen und eine ganze Reihe von Dingen umzusetzen, obwohl man im Moment nicht über die nötigen Informationen verfügte. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Der Hauptfehler, der bei dieser Pandemie gemacht wurde, ist, dass man sich auf die Pläne verlassen hatte, die wir vorher hatten. Die Pläne basierten auf einer Grippe. Eine Grippe ist aber etwas anderes als das Coronavirus.

Man ist jetzt an einem neuen Pandemieplan. Bis wann ist der fertig?

Ende März, Mitte April sollten wir mit der Überarbeitung fertig sein. Im Sommer wird der Plan dann veröffentlicht. Aber ich warne vor zu grossen Erwartungen. Der Pandemieplan ist eine Sammlung von Erfahrungen, die angepasst und weiterentwickelt wurden. Eine Liste von Dos and Don'ts in einer Krise.

Die Phasen der Corona-Pandemie

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  • 31. Dezember 2019: Die städtische Gesundheitskommission von Wuhan (China) meldet der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Häufung von Lungenentzündungsfällen unbekannter Herkunft
  • 10. Januar 2020: Eine Gruppe chinesischer Forscher veröffentlicht die Sequenz der viralen RNA von Covid-19
  • 23. Januar 2020: erster Massen-Lockdown in der Geschichte in der Provinz Hubei (China)
  • 25. Februar 2020: Erster Fall einer infizierten Person, der in der Schweiz in der Moncucco-Klinik in Besso registriert wurde
  • 26. Februar 2020: Erste Massnahmen der Regierung, welche das Verbot der Durchführung von Fasnachtsveranstaltungen, das Verbot der Durchführung von Hockeyspielen im Tessin und die sofortige Einstellung aller ausserschulischen Aktivitäten der kantonalen Schulen anordnen
  • 28. Februar 2020: Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen
  • 13. März 2020: Schliessung der Schulen im Kanton Tessin
  • 16. März 2020: Der Bundesrat stuft die Situation in der Schweiz als «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz ein. Alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe werden bis am 19. April 2020 geschlossen.
  • April 2020: Erste Schritte für die Wiedereröffnung öffentlicher Einrichtungen
  • 22. Dezember 2020: Erste Impfungen in der Schweiz

Nach mehreren Lockerungen und Verschärfungen der Anti-Coronavirus-Massnahmen zwischen 2020 und 2022 aufgrund von Infektionsspitzen erklärte die WHO am 5. Mai 2023 das Ende von Covid-19 zum Gesundheitsnotstand.

Wäre Ihrer Meinung nach die Bevölkerung heute wieder bereit, all die Vorschriften zu befolgen: Impfungen, Masken, Abriegelungen?

Das weiss ich nicht. Das müsste man die Bevölkerung fragen. Aber ich glaube, dass die Leute sich informieren, wenn sie sehen, was los ist. In westlichen Demokratien haben die Gesundheitsbehörden die Interessen der Bevölkerung im Auge. Deshalb glaube ich, dass die Menschen die Risiken ihres Tuns selbst abwägen können. Ich bin da im Grossen und Ganzen recht optimistisch.

Sie waren während der Pandemie mittendrin. Was haben Sie persönlich aus dieser Zeit gelernt?

Ich habe gelernt, dass Krisen viel dazu beitragen, sich weiterzuentwickeln. Aus technologischer Sicht, aus sozialer Sicht, aus organisatorischer Sicht, aus der Sicht der Kommunikation. All dies können wir mitnehmen, um die nächste Krise zu bewältigen.

Das Gespräch führte Claudia Iseli.

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Rendez-vous, 25.2.2025, 12:30 Uhr ; 

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