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Rückblick auf die Covidzeit Corona-Pandemie: «Das Ereignis war wie ein Tsunami»

Vor fünf Jahren wurden im Tessin die ersten Coronafälle registriert. Eine Pflegedienstleiterin erinnert sich.

«Das ganze Ereignis war wie ein Tsunami», sagt Maria Pia Pollizzi, wenn sie heute auf die ersten Tage der Coronapandemie im Februar 2020 zurückschaut. «Es ist jetzt zwar fünf Jahre her, aber es scheint nicht so, denn die Erinnerungen sind noch alle da, es ist noch alles lebendig», sagt die mittlerweile 51-Jährige.

Der erste Patient – Patient Zero – machte uns bewusst, dass dieses Virus jetzt auch uns erreicht hat.
Autor: Maria Pia Pollizzi Leiterin der Intensivstation Moncucco

Sie sitzt an einem Sitzungstisch im Spital Moncucco. Es ist ruhig an diesem Tag, üblicher Spitalalltag. So war es auch damals, bis der erste Covid-Patient bestätigt war. Dann habe sich alles auf einen Schlag geändert. «Der erste Patient – Patient Zero – machte uns bewusst, dass dieses Virus jetzt auch uns erreicht hat. Alles, was wir von weit her darüber gehört haben, ist jetzt hier, auch bei uns.»

Virus unbekannt

Die Unsicherheit im Team war gross, aber auch bei Pollizzi selbst, trotz ihrer über 25-jährigen Berufserfahrung. Denn niemand wusste Bescheid, wie gefährlich dieses Virus ist, und ob die Masken und Schutzanzüge etwas nützen.

Links ein Mann mit Mikrofon, das er einer Frau (rechts) hinhält.
Legende: SRF-Korrespondent Iwan Santoro spricht mit Maria Pia Pollizzi über die Anfänge der Pandemie. SRF

In Norditalien trug das Pflegepersonal beispielsweise drei Paar Handschuhe übereinander. In Lugano verzichtete man darauf, auch weil das Material knapp war. Aber, so sagt Pollizzi auch, viel Zeit für Zweifel und Ängste hatte man nicht, denn in den ersten Wochen musste man einfach nur noch funktionieren. 

Ein neuer Apfelbaum im Garten

Es seien unendlich lange Tage und Wochen gewesen. Sie habe die ersten 20 Tage durchgearbeitet. Um sich abzulenken und etwas herunterzukommen, sei sie regelmässig Velo gefahren, den steilen Hang hinauf von Lugano nach Morcote. So konnte sie die vielen traurigen Momente besser verarbeiten; die Toten, die vielen isolierten Menschen.

Aber es habe auch viele schöne Momente gegeben. So hätten diese extremen Arbeitsbedingungen das Team eng zusammengeschweisst und viele Patienten seien äusserst dankbar gewesen. «Ein Patient hat uns einen Apfelbaum geschenkt. Der steht heute im Spitalgarten als Symbol einer Wiedergeburt sozusagen. Dieser Patient hat sich so gefühlt: wiedergeboren», erzählt Pollizzi.

Wenig ist geblieben

Die Frage, was die Politik, die Gesellschaft, die Medizin in der Pandemie falsch gemacht hat, sei eigentlich müssig, meint die Pflegeleiterin.

Vielleicht ist man heute etwas rücksichtsvoller und trägt schneller eine Maske, wenn man erkältet ist.
Autor: Maria Pia Pollizzi Leiterin der Intensivstation Moncucco

Sicher, aus heutiger Sicht, könne man sagen, man habe übertrieben, aber damals war die Unsicherheit über die Gefährlichkeit des Virus einfach zu gross. Schuldzuweisen würden nichts bringen, ist Maria Pia Pollizzi überzeugt. Geblieben sei eigentlich wenig. «Vielleicht ist man heute etwas rücksichtsvoller und trägt schneller eine Maske, wenn man erkältet ist. Man ist vielleicht etwas sensibler und das ist etwas Positives.»

Nicht wenige von Pollizzis Berufskolleginnen und -kollegen haben nach der Pandemie den Beruf oder mindestens die Abteilung gewechselt. Für sie selbst habe sich diese Frage nie gestellt, sagt Pollizzi, denn die positiven Momente hätten immer überwogen.

Das Velofahren ist geblieben

Mittlerweile ist längst wieder Alltag eingekehrt an der Intensivstation im Spital Moncucco, dem ehemals ersten Covid-19-Spital der Schweiz. Die Arbeitstage von Maria Pia Pollizzi bleiben intensiv, aber wieder im normalen Bereich. Etwas aber hat sie aus der Coronazeit beibehalten. Das Velofahren, zwar nicht mehr wöchentlich, aber doch noch so, dass es in der Garage keinen Staub ansetze.

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Rendez-vous, 25.02.2025, 12:30 Uhr;stal

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