«Bist Du schon geimpft?» Diese Frage durchdringt künftig alle Gespräche im Land – vom Bodensee bis zum Lac Léman. Jetzt, wo der Kanton Waadt die ersten jungen Erwachsenen ab 18 Jahren impft und nächste Woche auch die Kantone Uri, Neuenburg und Solothurn nachziehen, kommt die Impfung nun auch in breiten Kreisen der Bevölkerung an. In diesen Kantonen heisst das Prinzip fortan: «first come, first served».
Das gilt aber nicht überall. Auf das Prinzip «Ältere zuerst» setzen nach wie vor Kantone wie Graubünden, Glarus, Bern oder Zürich, um nur eine Auswahl zu nennen. In diesen Kantonen sind Jüngere fortan gegenüber Älteren benachteiligt, denn es ginge ja auch anders – siehe Waadt.
Weshalb diese unterschiedlichen Strategien?
Tatsache ist: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt, man solle Ältere weiterhin priorisieren. Eine unumstössliche Weisung ist das aber nicht. Zudem gab das BAG Mitte April auch eine neue Empfehlung heraus: Verimpfen, was vorhanden ist, also keine Dosen für die zweite Impfung zurückzubehalten.
Nun haben wir die irritierende Situation, dass sich die einen Kantone (z.B. Bern) an die erste Empfehlung halten, aber nicht an die zweite. Und andere Kantone wie Waadt ziehen die zweite Impfung voll durch und lassen die erste hinter sich.
Was ist besser? Die Waadt hat von Beginn weg keine Dosen für die zweite Impfung beiseitegelegt (entgegen den Empfehlungen des BAG) und musste das Impfintervall zeitweise für einen Teil der Impfwilligen von vier auf sechs Wochen ausdehnen. Die Waadt liegt heute bei der Impfung älterer Menschen vor Bern und jetzt kommen auch Jüngere dran.
Schon erste Impfung schützt
«Impfen, was der Stoff hergibt», war auch in Grossbritannien die Strategie, mit der sich der Inselstaat an die Spitze der europäischen Länder setzte. Zudem zeigen erste Studien: Schon die erste Dosis schützt und senkt das Infektionsrisiko um 65 Prozent oder mehr.
Zögerliche Kantone verhindern zwar, dass sie allenfalls Termine für die zweite Impfung verschieben müssen – was tatsächlich als Argument aufgeführt wird – dämmen so aber die Epidemie nicht mit allen möglichen Impfmitteln zurück.
Auch die persönliche Situation jüngerer Menschen spricht dafür, dass sie schnell gleich behandelt werden sollen wie Ältere: Obwohl sie ihre Mobilität – im Gegensatz zu Senioren und Seniorinnen – noch immer weit unter dem Normalwert halten, sind sie dennoch mobiler als ältere Menschen. Schule, Beruf, aber auch ein Minimum an freizeitlicher Bewegung bringen das mit sich.
Vorwärts machen – auch bei den Jungen
Auch stehen hunderttausende jüngere Menschen stetig im Kontakt mit Älteren: in der Ausbildung, mit Chefinnen, Grossvätern, mit den eigenen Eltern. Aus epidemiologischer Sicht macht es auch deshalb Sinn, aufs Tempo zu drücken – auch bei den Jungen.
«Bist Du schon geimpft?» – die Frage der Stunde. Man könnte sie auch anders stellen: «In welchem Kanton wohnst Du?» Immerhin dürfen wir davon ausgehen, dass diese ungleiche Situation nur wenige Wochen anhält. Für Sommerferien im Ausland oder andere Pläne sind es leider entscheidende Wochen.