Am Schweizer Rechenzentrum CSCS in Lugano erhielt man jüngst wertvolle Post: Neue Superchips sollen der Wissenschaft zu einem der weltweit schnellsten Rechner verhelfen. Rechenkraft, mit der die Künstliche Intelligenz gerechter und nachvollziehbarer werden soll.
Der Coup mit den Superchips
Dem CSCS ist es als erste öffentliche wissenschaftliche Institution gelungen, die neuste Generation an Grafikchips von der Firma Nvidia zu erwerben. Die Schweiz ist deshalb das erste Land, in dem die Forschung auf die Chips mit dem Namen «Grace Hopper» zugreifen kann.
Die in Lugano installierten Chips haben heute einen Marktwert von mehreren hundert Millionen Franken. Das CSCS arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Nvidia zusammen. Bereits 2012 führte das CSCS erstmals in Europa einen auf Grafikprozessoren basierenden Supercomputer ein.
Jetzt ist ihm dieser Coup erneut gelungen. Weil es die neusten Chips frühzeitig bestellt hatte und mithalf, diese mit dem Hersteller zu entwickeln, wurde es als erstes beliefert. Wie viel der Superrechner gekostet hat, darüber schweigt man in Lugano. Es sei deutlich weniger, als die Chips heute am Markt kosten würden.
Die ETH will im KI-Rennen mitmischen
«Alps» heisst der neue Superrechner, der in einem unscheinbaren Gebäude gleich neben dem Fussballstadion in Lugano steht. Der Rechner mit 10'000 Superchips kann vier Peta-Operationen pro Sekunde durchführen.
«Das sind viertausendmal eine Million mal eine Million Rechenoperationen», schwärmt Torsten Hoefler. Das sei eine einmalige Chance für die Schweiz, sagt der Professor für Hochleistungsrechnersysteme an der ETH Zürich: «Damit können wir Künstliche Intelligenz auf Weltspitzenniveau berechnen und damit die Schweiz an die vordere Front der KI befördern».
Wir haben die Chance, in allen KI-relevanten Aspekten der Natur- und Ingenieurwissenschaften eine Führungsrolle zu übernehmen.
Denn Supercomputing-Infrastruktur ist aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage nach generativer Künstlicher Intelligenz wie etwa ChatGPT, Bing oder Google Bard weltweit Mangelware. Tech-Konzerne mit viel Geld sind da im Vorteil.
Ein Gegenmodell zu den Techgiganten
Rund 100 Professuren würden von «Alps» profitieren, sagt der Direktor des Superrechenzentrums Thomas Schulthess: «Wir haben jetzt die Chance, in allen KI-relevanten Aspekten der Natur- und Ingenieurwissenschaften eine Führungsrolle zu übernehmen.»
Wie genau Sprachmodelle wie ChatGPT oder ähnliche generative Anwendungen der Künstlichen Intelligenz funktionierten, verstehe niemand vollends, sagt Professor Thorsten Hoefler. Er berät neben seiner Professur an der ETH den Tech-Giganten Microsoft bei der Entwicklung der nächsten Generation Künstlicher Intelligenz. Er sagt: «Techfirmen sind einfach nicht transparent, weil in dem Moment, wo sie transparent werden, verlieren sie ihr Business».
Open Source für mehr Transparenz
Der neue Hochleistungsrechner soll es für Wissenschaft und Öffentlichkeit möglich machen, ein Sprachmodell wie ChatGPT von null auf zu trainieren und dabei Urheberrechte einzuhalten, so Hoefler. Die KI-Initiative von EPFL und ETH will mit «Alps» erzielte Forschungsergebnisse veröffentlichen, die Daten offenlegen und so für alle nachvollziehbar machen.
In Lugano will man eine alternative KI zu derjenigen der Technologiekonzerne entwickeln: Diese soll transparent und vertrauenswürdig sein und rechtlichen sowie ethischen Vorgaben entsprechen. Das alles soll die KI-Sprachmodelle demokratischer machen.