Im Sommer musste der Bundesrat informieren, dass nicht nur 80'000 Ehepaare von der Heiratsstrafe betroffen sind, wie im Abstimmungsbüchlein zur CVP-Initiative stand, sondern 454'000. Das von Finanzminister Ueli Maurer in Auftrag gegebene Gutachten wirft ein düsteres Bild auf die Datenlage in der Eidgenössischen Steuerverwaltung.
Generelles Manko festgestellt
«Ich dachte, es müsste für die Steuerverwaltung einfach sein, den Anfall betroffener Ehepaare zu kalkulieren», sagte der mit dem Gutachten betraute Wirtschaftsprofessor Raphaël Parchet von der Universität in Lugano. Doch er musste feststellen, dass die Steuerverwaltung nicht nur bezüglich Heiratsstrafe, sondern generell über zu wenig Daten verfügt.
Mit den ihr vorliegenden Daten könne die Behörde daher ihren politischen Auftrag nicht erfüllen, für die nationale Steuerpolitik die Grundlagen zu liefern, schreibt Parchet in seinem Gutachten.
Eidgenössische Steuerverwaltung im luftleeren Raum?
Ein bemerkenswertes Fazit. Bedeutet das, dass die Steuerverwaltung eigentlich gar nichts richtig abschätzen? «So ist es dann natürlich doch auch nicht», sagt der Sprecher der Steuerverwaltung, Joël Weibel und führt aus: «Gewisse Sachen können wir berechnen. Zum Teil geben uns ausgewählte Kantone auch Zusatzinformationen, sodass wir eine Hochrechnung auf die ganze Schweiz machen können.»
Parchet aber gibt sich mit Daten von einzelnen Kantonen nicht zufrieden. Auch er greift zwar in seinem Gutachten auf eine Stichprobe aus Zürich zurück. Er betont gleichzeitig, dass dies bei Rechnungen zur Heiratsstrafe kein Ersatz für die Daten von allen Steuerpflichtigen sei.
Mit präziserem Gesetz zu genügend Daten?
Nötig seien in erster Linie Angaben zu den einzelnen Einkommen und Abzügen jedes Ehegatten. Diese Daten seien durchaus verfügbar: In den Kantonen, nicht aber bei der Steuerverwaltung in Bern. Entsprechend wünscht sich die Eidgenössische Steuerverwaltung, dass die Kantone mehr Daten nach Bern liefern. Laut ihrem Sprecher könnte beispielsweise die Verordnung zum Statistikgesetz präziser formulieren, welche Daten die Kantone liefern müssen.
Kantone: Wer bezahlt das?
Bei den Kantonen löst dieser Wunsch wenig Begeisterung aus. «Nicht alle Kantone können die gewünschten Daten automatisch liefern», entgegnet der Präsident der Finanzdirektorenkonferenz, der jurassische CVP-Regierungsrat Charles Juillard. Viele Kantone müssten dafür Steuerdossier um Steuerdossier einzeln durchgehen. Da sei eine grosse Arbeit und habe auch einen Preis. Entschädigungen aus Bundesbern seien unter diesen Umständen wünschenswert.
Die Haltung der Kantone lässt Wirtschaftsprofessor Parchet etwas ratlos zurück: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das 2018 so schwierig sein soll, die Daten zu liefern. Ich bin sicher, dass die Kosten einer Datenlieferung viel tiefer sind als jene einer falschen Politik.»