Es ist ein sonniger Morgen im Berner Oberland. Auf einer Baustelle trifft sich Unternehmer Luc Frutiger mit zwei seiner Mitarbeiter. Sie zeigen ihm den Baufortschritt. Hier, in der Nähe des Bahnhofs Frutigen, wird eine Werkhalle erweitert. Auch Büros und Wohnungen sind vorgesehen. Heute wird die letzte Decke des mehrstöckigen Gebäudes betoniert.
Luc Frutiger macht sich mit den Verantwortlichen der Baustelle auf einen Rundgang durch das Gebäude, das noch im Rohbau ist.
Mein Vermögen steckt im Unternehmen. Wenn ich sterbe, würden meine Nachkommen mit der Initiative eine exorbitante Steuerrechnung erhalten, und sie könnten diese nicht bezahlen.
Als Mitinhaber einer Baugruppe ist er besorgt wegen der Juso-Initiative. Frutiger wäre von der Initiative betroffen. Er sagt: «Mein Vermögen ist im Unternehmen gebunden. Der grösste Teil meines Vermögens ist nicht liquid. Ich kann damit nichts kaufen und auch keine Steuern zahlen. Wenn ich sterbe, würden meine Nachkommen mit der Initiative eine exorbitante Steuerrechnung erhalten, und diese könnten sie deshalb jedoch nicht bezahlen.»
Um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können, müssten seine Nachkommen das Familienunternehmen wohl verkaufen, so Frutiger.
Heftige Kritik an der Initiative im Parlament
Im Nationalrat haben am Mittwoch Politikerinnen und Politiker von der SVP bis zur GLP vor der Erbschaftssteuer-Initiative gewarnt: «Es ist eine Initiative, die Zukunft verhindert. Eine Initiative, die Wohlstand und Arbeitsplätze aus der Schweiz vertreibt. Eine Initiative, die nicht für eine bessere Klimapolitik sorgt, sondern unserer Wirtschaft und unserem Staat schadet», sagte beispielsweise FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger.
Radikal, anmassend und obszön ist nicht diese Initiative der Jusos, sondern radikal und obszön ist die Realität der ungleichen Verteilung des Reichtums.
Die SP verteidigt das Anliegen ihrer Tochterpartei Juso: «Radikal, anmassend und obszön ist nicht diese Initiative der Jusos, sondern radikal und obszön ist die Realität der ungleichen Verteilung des Reichtums und des Vermögens in diesem Land und dagegen sollten wir etwas tun», so SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.
Auch die Grünen zeigen Sympathien für das Anliegen der Juso: «Eine Erbschaftssteuer auf Bundesebene kann zur Finanzierung unserer Jahrhundertaufgabe beitragen», sagt die Grüne Nationalrätin Franziska Ryser und meint damit den Kampf gegen den Klimawandel.
Massive Steuerausfälle befürchtet
Unternehmer Luc Frutiger und die Baustellen-Verantwortlichen sind unterdessen auf dem Dach der Werkhalle angekommen.
Die Unternehmer werden weggehen, um diesem zukünftigen Gesetz auszuweichen.
Was die Initiativ-Gegner am meisten befürchten: Dass bei einer Annahme viele wohlhabende Personen wie er die Schweiz verlassen würden. «Wir zahlen heute Vermögenssteuern. Wenn noch eine Erbschaftssteuer dazu kommt, sind wir wesentlich stärker besteuert als im umliegenden Ausland. Die Unternehmer werden sich bewegen und weggehen, um diesem zukünftigen Gesetz auszuweichen.» In der Folge drohen der Schweiz laut dem Gegenkomitee jährliche Steuerverluste von rund zwei Milliarden Franken.