Genf ist eine der teuersten Städte der Welt. «Wir können uns die Lebensmittel kaum leisten, und ein Zimmer zu bezahlen oder auszugehen, liegt nicht drin», sagt Catherine, 28, aus Grossbritannien. Sie ist eine von 83 jungen Menschen, die an der UNO in Genf ein unbezahltes Praktikum absolvieren.
«Wir haben Anrecht darauf, anständig entlöhnt zu werden. Das ist ein Menschenrecht», doppelt der ehemalige russische Praktikant Ilja, 24, nach. Er hat sich dem Grüppchen angeschlossen, das an diesem kalten Morgen auf der Place des Nations demonstriert.
Offizieller Beschluss aus dem Jahr 1996
Die Thematik ist sensibel, viele wollen sich nicht zeigen oder äussern. Sie haben Angst, ihren unbezahlten Praktikumsplatz zu verlieren. Denn wer ein Praktikum bei der UNO in den Lebenslauf schreiben kann, hat in der Regel einen wichtigen Karrierebaustein gesammelt.
Ein Praktikant ist kein Mitarbeiter. Es ist jemand, der sich noch in der Ausbildung befindet. Und diese Personen werden nicht entlöhnt.
«Wir haben Sympathien und Verständnis für dieses Anliegen», sagt UNO-Sprecherin Alessandra Vellucci, «die Motivation dieser jungen Menschen ist essenziell für uns. Doch ein Praktikant ist kein Mitarbeiter. Es ist jemand, der sich noch in der Ausbildung befindet. Und diese Personen werden nicht entlöhnt.»
Vellucci gibt die offizielle Sichtweise der UNO wieder. Diese hat nämlich 1996 an einer Generalversammlung beschlossen, dass Praktikantinnen und Praktikanten im Generalsekretariat nichts verdienen. Daran hat sich bisher nichts geändert.
Andere Organisationen bezahlen Lohn
Der Kanton Genf kennt die Situation. Er kann aber nichts unternehmen, weil die UNO nicht Schweizer Recht untersteht. Anders sieht es bei Unternehmen mit Sitz in Genf aus, sagt Christina Stoll vom Arbeitsinspektorat: «Wenn wir feststellen, dass Praktikantinnen zu einem nicht korrekten Tarif angestellt werden, dann gibt es zuerst ein Verfahren, um die Situation zu regeln. Kommen die Unternehmen unserer Aufforderung nicht nach, gibt es eine Verfügung oder gar ein Gerichtsverfahren.»
Wir sind nicht perfekt, aber wir versuchen, unseren Praktikanten so viel wie möglich zu bieten und sie auch angemessen zu bezahlen.
Viele internationale Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, Handicap International oder Médecins sans frontières bezahlen ihre Praktikanten. Letztere, die zu den wichtigsten und grössten humanitären Playern weltweit gehört, hat ihren Schweizer Ableger in Genf und bezahlt ihren Praktikantinnen und Praktikanten 2000 Franken plus Spesen, wie Lauren Bell, Leiterin Human Resources, erklärt: «Wir sind nicht perfekt, aber wir versuchen, unseren Praktikanten so viel wie möglich zu bieten und sie auch angemessen zu bezahlen.»
Thema wird in New York behandelt
Es gebe Praktikanten, die am Bahnhof oder im Zelt schlafen, wenn sie nach Genf kommen, sagt Baptiste Van Tichelen, der den Protest in Genf anführt: «Diese Armut macht uns Sorgen.»
Glücklich kann die UNO nicht sein über solche negative Presse. Denn die Organisation möchte seit Jahren die Diversität in ihren Reihen erhöhen und die Übervertretung von Menschen aus dem globalen Norden korrigieren. Deshalb kommt das Thema nun erneut vor die Generalversammlung in New York. Doch wenn die Regelung nicht überarbeitet wird, können sich weiterhin nur engagierte Leute mit wohlhabenden Eltern ein Praktikum in Genf leisten.