Thurgauer Bäuerinnen und Bauern sollen sich Hilfe holen, wenn sie mit dem Hof oder allgemein im Leben nicht mehr klarkommen. Das ist das Ziel einer speziellen Präventionskampagne des Verbands Thurgauer Landwirtschaft.
Handlungsbedarf wegen steigender Anzahl Suizide
Mit ein Grund ist die hohe Suizidrate. Dass diese hoch sei, belegen mittlerweile mehrere Studien. Deswegen sieht der Verband Handlungsbedarf – spätestens, seit sich vor ein paar Jahren innert kürzester Zeit und nur wenige Kilometer voneinander entfernt mehrere Bauern das Leben nahmen.
«In den letzten Jahren hatten wir tatsächlich eine Massierung von Bauern, die keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben», sagt Thomas Ruch, Präsident der Kommission Soziales beim Thurgauer Landwirtschaftsverband. Mit Zahlen belegen könne er es nicht, aber er erlebe, dass immer mehr Bauern verzweifelt seien.
Generationenkonflikte können zu einer richtigen Zerreissprobe werden.
«Ich schätze es so ein: Wir sind an einem Punkt, an dem die Belastungen auf einen einzelnen Betriebsleiter enorm sind», sagt Ruch weiter. Gründe dafür gebe es mehrere: Mehr Auflagen punkto Biodiversität oder Tierhaltung – das führe zu hohen Investitionen und Verschuldungen – oder der höhere Produktionsdruck.
Mehr Bauern geben den Betrieb auf
Ein weiteres Problem könne das private Umfeld sein: «Partner, die die hohe Belastung nicht mittragen können, oder Generationenkonflikte auf Höfen, die eine richtige Zerreissprobe werden können», sagt Ruch. Die Konsequenz von alledem: Von Jahr zu Jahr geben mehr Leute den Betrieb auf, andere machen so lange weiter, bis sie psychisch und physisch am Anschlag sind.
Thomas Ruch betont, dass es auch viele Bauern gebe, denen es gut geht. Trotzdem führt der Landwirtschaftsverband seit Jahren einen Flyer mit diversen Hilfsangeboten. Dieser wird jedes Jahr aktualisiert und wurde erst kürzlich wieder mit der Bauernzeitung verschickt.
Darin sind Adressen von Seelsorgern, psychischen Beraterinnen, vom Blauen Kreuz oder auch von Berufskolleginnen und -kollegen, die ein offenes Ohr bieten. Das Problem sei aber häufig, so Ruch, dass Bäuerinnen und Bauern nicht unbedingt jene seien, die auch Hilfe suchen und annehmen.
Wie «Besucher» helfen können
Darum startet im Thurgau demnächst ein neues Projekt nach dem Motto: Wenn sich Bauern keine Hilfe holen, bringen wir die Hilfe zu ihnen. «Kontrolleure, Futtermittelverkäufer, Besamungstechniker oder Tierärzte kommen regelmässig auf den Hof und kennen die Bauern. Diese Leute wollen wir schulen, dass sie merken, wenn etwas nicht stimmt», sagt Thomas Ruch von der Kommission Soziales.
Ein freiwilliger Kurs einer Expertin des Roten Kreuzes soll dabei helfen. Die Expertin hat dafür eigens einen bestehenden Suizid-Präventions-Kurs auf die Landwirtschaft adaptiert. Es gehe nicht darum, lauter Hobby-Psychologen auszubilden, sondern darum, Erste Hilfe leisten zu können, wenn es sie braucht, sagt Ruch. «Es geht um jene Leute, die wir sonst nicht auf dem Radar haben.»
Erste Kurse haben bereits stattgefunden. Weitere sind geplant, dafür werden die Verbände und Firmen aus der Landwirtschaftsbranche aktiv angeschrieben.