Von einem «Evergreen» sprach letzte Woche Christian Gartmann, zuständig für die Kommunikation im Fall Brienz. Denn immer wieder kommt an Informationsveranstaltungen die Frage, ob die instabilen Felsmassen oberhalb von Brienz gesprengt werden könnten. Die Antwort der Verantwortlichen jeweils: «Nein, es kann nicht gesprengt werden.»
Auch die Armee winkt ab
An der Bevölkerungsinformation am letzten Donnerstag erklärte Geologe Stefan Schneider, Leiter des Frühwarndiensts, dass es für eine erfolgreiche Sprengung Bohrlöcher im Hang brauchen würde. Diese Arbeiten seien unter den aktuellen Umständen und insbesondere den häufigen Steinschlägen «schlicht unmöglich». Bei einer Sprengung aus der Luft – vergleichbar mit einer Lawinensprengung – würden jedoch nur einzelne Steine wegfliegen.
Es wäre eine Möglichkeit, um nicht monatelang vom Dorf abwesend zu sein.
Das Militär habe doch sehr gute Mittel, regte daraufhin ein Dorfbewohner an: «Da muss man nicht bohren.» Die Armee könne bis zu zehn Meter in die Tiefe sprengen, sagte der Brienzer und fügte an: «Es wäre eine Möglichkeit, um nicht monatelang vom Dorf abwesend zu sein.»
Könnte also die Schweizer Armee den Hang oberhalb von Brienz sprengen? Das Regionaljournal Graubünden hat nachgefragt. Doch das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) winkt ab und schreibt: «Die Armee verfügt weder über Kenntnisse noch Erfahrungen und Mittel, diese Wirkung zu erzielen.»
Niemand spricht sich für eine Sprengung aus
Auch unabhängige Fachleute äussern sich zurückhaltend. SRF News hat mit diversen Sprengmeistern und Geologen telefoniert, und niemand von ihnen hat sich für eine Sprengung ausgesprochen. Doch das Thema scheint heikel, alle Interviewanfragen wurden abgelehnt.
Eine Sprengung ist nie eine Option gewesen.
So auch bei einer der führenden Schweizer Firmen, wenn es um Felssprengungen geht. Dort wurde auf den Beschluss der Geschäftsleitung verwiesen, welcher lautet: Man sage nichts zu Brienz und zur Vorgehensweise dort. Auch Fachleute aus dem Wallis, die Erfahrungen mit Sicherheitssprengungen haben, gaben sich zugeknöpft. Jeder Hang sei unterschiedlich und müsse vor Ort beurteilt werden.
Zweite offene Frage: Wer zahlt?
Als weiteres Argument gegen eine Sprengung führt die Gemeinde Albula die Kostenfrage an: Wer zahlt, wenn das Dorf wegen einer Sprengung verschüttet würde oder es Schäden gäbe? Marc Handlery, Direktor der Gebäudeversicherung Graubünden, verweist auf Anfrage auf die gesetzliche Grundlage. Dort heisst es: Die Gebäudeversicherung übernimmt keine Elementarschäden, wenn die Schäden auf eine direkte oder indirekte menschliche Einwirkung zurückzuführen sind. Wenn also beispielsweise eine Firma in einem Steinbruch sprenge und ein Wohnhaus beschädigt werde, hafte die Firma und nicht die Gebäudeversicherung.
Da es den konkreten Fall Brienz noch nie gegeben hat, sei er gesetzlich nicht klar geregelt. Die juristischen Fragen müssten zuerst sauber geklärt werden.
Fazit: Eine Sprengung ist bisher weder für die Verantwortlichen in Brienz noch für andere Fachleute ein Thema, und es gibt viele offene Fragen.
So sagte denn auch der Sprecher des Gemeindeführungsstabs, Christian Gartmann: «Eine Sprengung ist nie eine Option gewesen.» Es gebe dazu auch keine detaillierten Abklärungen. Darum heisst es für die Brienzerinnen und Brienzer weiter warten, bis die 2 Millionen Kubikmeter Gestein sich von alleine lösen.