- Weil die Anzahl Notfallkonsultationen massiv zugenommen hat, kommt es zu langen Wartezeiten und Verlegungen in Schweizer Kinderkliniken.
- Das meldet Pädiatrie Schweiz, die Fachorganisation der Kinder- und Jugendmedizin am Dienstag.
- Sie warnt vor einem Versorgungsmangel in Hinblick auf die kalte Jahreszeit.
Die Kindernotfall-Stationen geraten wegen zunehmenden Personalmangels und steigender Notfallkonsultationen immer häufiger an ihre Belastungsgrenzen. Das schreibt Pädiatrie Schweiz in einer Mitteilung.
«In einigen Kliniken haben die Kindernotfälle in der ersten Jahreshälfte 2022 im Vergleich zu 2021 oder den Vorpandemiejahren um mehr als 50 Prozent zugenommen», heisst es weiter. Einem Artikel der «NZZ am Sonntag» zufolge schrieb das Berner Inselspital gar von einem drohenden «Kollaps des Systems». «In der ganzen Deutschschweiz verzeichneten die Kindernotfälle Überbelegungen von 30 bis 50 Prozent», wird das Inselspital zitiert.
Wir machen uns Sorgen in Hinblick auf den Winter.
Zudem ist gemäss Pädiatrie Schweiz die Bettenauslastung bereits in der ersten Septemberhälfte dieses Jahres «so hoch, dass in der gesamten Nordschweiz phasenweise nur noch ein einziges freies Spitalbett für die Pädiatrie zur Verfügung stand». Der Organisation zufolge werden die steigenden Infektionszahlen in der kalten Jahreszeit die Situation verschärfen.
Das Problem der langen Wartezeiten und Verlegungen habe sich in den letzten Jahren verschärft, schreibt die Fachorganisation der Kinder- und Jugendmedizin. Gründe dafür seien eine niederschwellige Inanspruchnahme der Notfallangebote durch Familien, teilweise bedingt durch Kinder- und Hausärztinnenmangel, sowie Mangel an medizinischen Praxisassistenten und Personalmangel in der Pflege der Kinderkliniken.
70 bis 100 Notfälle pro Tag in Kinderklinik am KSW
Traudel Saurenmann, Chefärztin der Kinderklinik am Kantonsspital Winterthur (KSW), spricht von aktuell 70 bis 100 Notfällen bei ihnen. Verglichen mit dem letzten Jahr seien die Konsultationszahlen auf den Notfallstationen um 30 bis 40 Prozent angestiegen. «Das ist sehr viel mehr, als wir mit dem Personal, das wir auf den Vorjahresstand ausgerichtet haben, bewältigen können.»
Dass die Patientenzahlen so stark ansteigen würden, sei schwierig vorauszusehen, sagt die Chefärztin. «Aber wir haben Massnahmen ergriffen und Schichten verstärkt – wir machen uns vor allem Sorgen in Hinblick auf den Winter.» Denn normalerweise seien die Fallzahlen im Sommer niedrig und stiegen mit der kühlen Jahreszeit an. Und man stehe jetzt erst davor, dass die Zahlen stark ansteigen.
Aktuell müssten Eltern mit leicht erkrankten Kindern mit langen Wartezeiten rechnen, da die schwer erkrankten Kinder zuerst behandelt werden. Im schlimmsten Fall müssten sehr leicht erkrankte Kinder abgewiesen bzw. zur Kinderärztin geschickt werden. «Das würde uns schon weh tun – aber das Wichtigste ist, dass wir die schwer kranken Kinder gut behandeln können», betont Saurenmann.