- Der Waadtländer Grosse Rat hat sich für das Lernen von Schweizerdeutsch an den Schulen des Kantons ausgesprochen.
- Er forderte am Dienstag den Staatsrat gegen dessen Willen auf, eine Strategie zum Erlernen der Sprache auszuarbeiten.
- Der Unterricht würde das Hochdeutsch jedoch nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Wer Hochdeutsch kann, kommt damit in der Deutschschweiz nicht sehr weit. Das ist ein altbekanntes Problem für Leute aus dem Tessin und der Romandie. Darum soll in der Waadt jetzt der Lehrplan angepasst werden.
Das mit 71 Ja gegen 67 Nein bei zwei Enthaltungen überwiesene Postulat fordert nun den Staatsrat. Dieser soll in einem Bericht festlegen, wie und wann Schweizerdeutsch-Kurse am besten angeboten werden können. Die Kurse könnten entweder freiwillig oder obligatorisch sein.
Der Grüne David Raedler hat das Postulat eingebracht. Er argumentierte, dass Hochdeutsch in der Schweiz nicht ausreiche. Schweizerdeutsch werde im gesellschaftlichen und beruflichen Leben häufiger gesprochen als Hochdeutsch. «Es handelt sich um eine Sprache und nicht um einen Dialekt, der für Jodlerfeste reserviert ist», sagte er. Junge Waadtländerinnen und Waadtländer beherrschten diese Sprache nach der Schule überhaupt nicht.
Für den Grünen-Politiker muss das Erlernen des Hochdeutsch zwar Vorrang haben, aber es sollte durch das Schweizerdeutsch ergänzt werden. Das Postulat wurde von der Linken im Rat positiv aufgenommen.
Bereits volle Stundenpläne und keine Nachfrage
Kritik kommt von der rechten Seite des Plenarsaals. Mehrere Abgeordnete betonten, dass das Erlernen von Schweizerdeutsch in der «individuellen Verantwortung» liegen müsse. Die Schule sei für den Unterricht der Landessprache zuständig. Und das sei Hochdeutsch. «Das Problem ist nicht, Schweizerdeutsch zu lernen, sondern die deutsche Sprache besser zu beherrschen», sagte Fabrice Moscheni von der SVP.
Der für das Bildungswesen zuständige Staatsrat Frédéric Borloz von der FDP lehnte das Postulat ebenfalls ab. Er verweist auf die vollen Stundenpläne und die fehlende Nachfrage von Schülern, Eltern oder Lehrern.
Der Staatsrat unternehme aber weiter grosse Anstrengungen, um den Sprachaustausch junger Waadtländer zu fördern, sagte Borloz. Entsprechende Abkommen gebe es etwa mit den Kantonen Zürich, Zug oder Appenzell.
Für Daniel Elmiger ist klar: Schweizerdeutsch sei höchstens ein Supplement. Er ist Professor für Linguistik und Didaktik an der Universität Genf. Bei seinen Studierenden, künftigen Lehrpersonen, bestehe Interesse. Bei jungen Menschen sehe das anders aus: «Ich habe das Gefühl, dass viele Junge die Landessprachen mehr oder weniger abgeschrieben haben.» Denn verständigen würden sie sich sowieso auf Englisch.
Die Schülerinnen und Schüler sollen den schweizerdeutschen Dialekt lernen und dadurch solle laut David Raedler der «nationale Zusammenhalt» gefördert werden. Die Jungen sollen so Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, wo 63 Prozent des Handels auf Schweizerdeutsch stattfinde.