Der Bund schreibt rote Zahlen und Finanzministerin Karin Keller-Sutter muss Vorschläge machen, wo die Ausgaben reduziert werden können. Gleichzeitig hat der Bund Milliarden-Garantien für die Übernahme der Credit Suisse geboten und würde auch einen Teil eines möglichen Verlusts tragen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter nimmt im Interview Stellung zu ihren Sparplänen und zur Frage, wie die Schweizer Banken künftig reguliert werden sollen.
SRF News: Bundesrätin Keller-Sutter, wie fühlt sich das eigentlich an, wenn man als neue Finanzministerin wochenlang Einsparmöglichkeiten sucht und dann innerhalb von wenigen Tagen Bundesgarantien von über 100 Milliarden Franken für eine Grossbank beschliesst?
Keller-Sutter: Die Bundesgarantien, die 100 Milliarden, sind per gestern zurückgezahlt worden, das kann ich vielleicht hier erwähnen. Aber so oder so hat es keinen Zusammenhang mit den Bundesfinanzen. Wir haben der Credit Suisse ja keinen Franken Bargeld bezahlt. Und die Finanzlage des Bundes ist nicht deshalb in Schieflage, weil wir ein Einnahmeproblem haben, sondern weil wir ein Ausgabenproblem haben.
(Nachträgliche Präzisierung des Finanzdepartements: Die Summe von maximal 100 Milliarden war nicht vollständig ausgeschöpft worden, doch die Liquiditätshilfen mit Bundesgarantie wurden komplett zurückbezahlt).
Sie haben die Wahl zwischen je zwei Bereichen. Wo soll der Bund seine Ausgaben in Zukunft stärker reduzieren: Externe Kinderbetreuung oder Armee?
In beiden. Vereinbarkeit für Beruf und Familie ist ganz wichtig, aber der Bundesrat hat immer gesagt, das ist eine kantonale Aufgabe. Bei der Armee, da haben wir einen Nachholbedarf. Der Bundesrat will die Armee wirklich besser ausrüsten, aber über eine längere Frist als vom Parlament gefordert.
Bildung oder Landwirtschaft?
Beide müssen ihren Beitrag leisten. Die Bildung ist immer gewachsen in den letzten Jahren. Bei der Landwirtschaft sind die Ausgaben gleichgeblieben.
Asylwesen oder soziale Sicherheit?
Beides wächst. Und es ist bei beiden Bereichen schwierig zu sparen. Der Asylbereich wächst, weil mehr Leute in die Schweiz kommen. Und bei der sozialen Sicherheit sprechen wir vor allem von der AHV. Die wächst, weil wir mehr Rentnerinnen und Rentner haben.
In den letzten Tagen gab es Berichte, dass Sie bei der AHV sparen wollen. Ihr Departement hat dies dementiert. Heisst das, die AHV ist für Sie tabu?
Es ist legitim, die Frage zu stellen, ob Frauen, die Witwen sind und erwachsene Kinder haben, weiterhin eine Witwenrente bekommen sollen oder nicht. Aber sonst gibt es keine weiteren Pläne in der AHV. Das wäre wahrscheinlich auch gar nicht möglich.
Der Ständerat hat heute beschlossen, sich selbst keinen Teuerungsausgleich zu gewähren. Der Bundesrat hingegen bekommt 2.5 Prozent. Heisst das, man muss als Regierung nicht mithelfen bei den Einsparungen?
Also es geht nicht um die sieben Bundesrätinnen und Bundesräte, sondern es geht um das Bundespersonal. Der Bundesrat hat mit dem Budget 2023 einen Teuerungsausgleich von 2 Prozent beschlossen. Weil die Teuerung höher ausgefallen ist, hat damals noch mein Vorgänger beantragt, man soll 2.5 Prozent ausrichten.
Der Bundesrat hätte symbolisch darauf verzichten können.
Ja gut, aber damit würden Sie wahrscheinlich den Staatshaushalt nicht retten.
Wir haben ein grosses Interesse an der Aufarbeitung.
Der Nationalrat hat ja die CS-Kredite abgelehnt, als Nächstes dürfte das Parlament eine parlamentarische Untersuchungskommission einleiten. Ist das ein doppeltes Misstrauensvotum für den Bundesrat – und damit auch für Sie als Finanzministerin?
Nein, ich sehe das nicht so. Und auch der Bundesrat sieht das nicht so. Wir haben eigentlich ein grosses Interesse an der Aufarbeitung. Ich selber war erst wenige Wochen im Amt. Es wäre wahrscheinlich unmöglich gewesen, die Situation zu drehen in diesen paar Wochen.
Bei der Frage, wie die Banken künftig reguliert werden sollen, waren Sie bis jetzt zurückhaltend. Sie haben aber gesagt, die Finanzmarktaufsicht Finma soll zusätzliche Kompetenzen bekommen. Wieso?
Bei der Credit Suisse gab es eine Vertrauenskrise. Es war keine Frage von zu wenig Eigenkapital oder zu wenig Liquidität. Die Puffer von der Finma wurden erfüllt.
Welche Instrumente hätte die Finma denn jetzt gebraucht?
Nicht erst jetzt, sondern schon in den vergangenen Jahren ist es offensichtlich gewesen, dass es Fehler gegeben hat im Management dieser Bank. Und dass es eben vielleicht gut gewesen wäre, wenn die Finma mehr Mittel gehabt hätte, um das Management zur Rechenschaft zu ziehen. Ich denke, das muss man anschauen können.
Bezüglich anderer Massnahmen wollen Sie zuerst die Analyse abwarten. Ist das die Freisinnige in Ihnen, die lieber keine weiteren Regulierungen sehen will, während die Finanzministerin sieht: Es braucht sie eben doch?
Das ist die Pragmatikerin, die sagt, man kann nicht einfach einen Schrotschuss machen. Man muss die Lage wirklich analysieren. Wenn wir etwas machen, dann müssen wir es richtig machen.
Krisen haben es halt an sich, dass es wieder neue Phänomene gibt.
Aber man muss sich auch bewusst sein: Jede Krise wird ausgewertet, danach ändert man vielleicht die Gesetzgebung und hat das Gefühl, man ist gewappnet für das nächste Mal. Aber Krisen haben es halt an sich, dass es wieder neue Phänomene gibt.
Heisst das: Egal was man jetzt macht, man kann eine künftige Krise nicht verhindern?
Man kann ja nicht alle Krisen verhindern, also wir sind ja nicht der Herrgott, der alles beherrscht. Der Mensch bleibt Mensch. Der Mensch macht Fehler. Und man kann nicht immer alles kontrollieren über den Staat, und alles über die Gesetzgebung.
Bei der CS-Übernahme sind ja Hochrisikopapiere, sogenannte AT1-Anleihen, abgeschrieben worden. Jetzt gibt es hunderte Klagen. Es ist noch nicht klar, ob die UBS oder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen müssen, falls die Kläger Recht bekommen. Haben Sie es verpasst, den Bund gegen solche Milliardenklagen abzusichern?
Es war die Finma, welche die Anleihen abgeschrieben hat. Ich kann dazu nicht viel sagen, weil das sind jetzt hängende Gerichtsverfahren. Ich kann nur daran erinnern, dass das Hochrisikoanleihen sind.
Wer auf der einen Seite Risiko nimmt, muss sich bewusst sein, dass es auch auf die andere Seite gehen kann.
Im Prospekt dieser Hochrisikoanleihen steht, dass sie abgeschrieben werden können, wenn eine Bank insolvent wird. Und vor diesem Punkt ist man gestanden. Das ist letztlich Kapitalismus: Wer auf der einen Seite Risiko nimmt, muss sich bewusst sein, dass es auch auf die andere Seite gehen kann.
Das Gespräch führte Larissa Rhyn.