Matthias Jauslin hat die FDP verlassen und wechselt zur GLP. SRF hat beim Politologen Georg Lutz nachgefragt, ob es heute überhaupt noch Platz für Umweltthemen bei den Freisinnigen gibt und wo die Probleme der FDP bei der Positionierung der Partei liegen.
SRF News: Trifft die Beobachtung zu, dass Umweltthemen bei den Freisinnigen keine Priorität mehr haben?
Georg Lutz: Ja, ich teile diese Beobachtung. Die Umweltfragen waren in der Vergangenheit deutlich prominenter präsent – auch im Parteiprogramm. Das ist jetzt nicht mehr ein Schwerpunktthema der Partei.
Lässt sich das an konkreten Vorlagen festmachen?
Nicht konkret an Vorlagen, die die Partei jetzt nicht mehr unterstützt. Es sind die generellen Schwerpunkte. Man positioniert sich jetzt wieder auf der bürgerlichen Seite bei verschiedenen Vorlagen, die zur Debatte stehen. Die Partei ist nicht mehr bereit, auch gegen links die Fühler auszustrecken oder im Umweltbereich zumindest auf die anderen Parteien zuzugehen und dort allenfalls Kompromisse mitzutragen.
Gibt es da Unterschiede zwischen der FDP in der Deutschschweiz, der Romandie oder dem Tessin?
Ich nehme da nicht gross regionale Unterschiede wahr. Ich denke, diese politischen Positionierungen sind heutzutage fast bei allen Parteien sehr national.
Die Partei ist nicht mehr bereit, auch gegen links die Fühler auszustrecken.
Vor einigen Jahren hat die damalige FDP-Präsidentin Petra Gössi gesagt, der Umweltschutz gehöre zur DNA des Freisinns. Gilt das heute nicht mehr?
Ich denke, das gilt schon länger nicht mehr. Wir hatten schon in den 80er-Jahren grüne Abspaltungen aus dem Freisinn. Das war ein Teil der damaligen Grünen-Bewegung. Wir hatten dann vor vier Jahren eine Sondersituation, weil der Klimawandel ein dominantes Thema im Wahlkampf war. Der Freisinn fühlte sich offenbar unter Druck, auch mitzumachen. Jetzt gibt es eine andere Themenkonjunktur, und der Freisinn hat das Thema wieder fallen gelassen.
Die FDP ist in einem Sandwich zwischen der SVP, der GLP und teilweise auch der Mitte.
Früher gab es pointierte Umweltpolitikerinnen und Politiker in der FDP: Elisabeth Kopp, Erika Forster, Kurt Fluri. Haben solche Leute keinen Platz mehr in der Partei?
Die haben allenfalls noch Platz, aber es gibt einfach erhebliche Konkurrenz. Insbesondere mit dem Aufkommen der Grünliberalen Partei hat sich eine ganze Partei mit der Verbindung zwischen Liberalismus und Ökologismus profiliert. Daher ist es entsprechend eng, hier zu versuchen, die GLP zu konkurrenzieren.
Wenn Leute wie jetzt Matthias Jauslin der FDP den Rücken kehren, ist das für die Partei von Nachteil, weil sie eine gewisse Wählerschicht verliert? Oder ist es vielleicht von Vorteil, weil sie dann geeinter wahrgenommen wird?
Parteiwechsel sind in der Schweiz auf nationaler, aber auch auf kantonaler Ebene eigentlich immer Einzelphänomene. Was aber ein dahinter steckt, ist schon ein eher strukturelles Problem der FDP. Die FDP ist in einem Sandwich zwischen der SVP, der GLP und teilweise auch der Mitte. Der Partei ist es nicht gelungen, sich auch hier nachhaltig, langfristig zu positionieren. Was dazu geführt hat, dass die Partei eigentlich seit 30 Jahren systematisch Wähleranteile verliert.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.