Über Monate hinweg hat sich Mia* prostituiert, in einem Wäldchen ausserhalb der Stadt Solothurn. Beinahe täglich hat sie in einer kleinen Holzhütte neben der Familienfeuerstelle Freier bedient – «zu jeder Jahreszeit, zu jedem Wetter», wie sie heute sagt.
Gemacht hat das die damals Minderjährige im Glauben, ihrem Freund bei seinen Geldproblemen zu helfen. Mit Drohungen, Bitten und falschen Versprechen drängte er sie in die Prostitution. Noch heute sagt Mia: «Er war die Liebe meines Lebens.»
Liebhaber und Zuhälter
Mia wurde Opfer eines sogenannten «Loverboys». Das Phänomen umschreibt Menschenhändler und Zuhälter, die jungen Frauen eine Liebesbeziehung vorspielen. So machen sie die Mädchen gezielt von sich abhängig und isolieren sie von ihrem sozialen Umfeld.
Dann zwingen die Männer ihre vermeintlichen Freundinnen in die Prostitution. Den emotional abhängigen Frauen erzählen die «Loverboys», die Prostitution sei auf eine kurze Zeit beschränkt – und locken mit der Aussicht auf eine spätere Hochzeit oder Familiengründung.
So erging es auch der gebürtigen Ungarin Ana*, die sich mit 18 Jahren ebenfalls für ihren damaligen Freund prostituierte. «Ich brauchte seine Liebe. Also tat ich, was er von mir verlangte», sagt sie.
Über sieben Jahre lang hoffte Ana auf ein schönes Leben mit ihm und auf ein baldiges Ende der Sexarbeit. Bis sie herausfand, dass ihr vermeintlicher Freund bereits seit fünf Jahren mit einer anderen Frau zusammen war. Erst dann wurde ihr bewusst, dass sie ausgenutzt wurde.
Für ihren «Loverboy» habe sie im Genfer Sexgewerbe um die 1000 Franken pro Nacht verdient, sagt die heute 32-Jährige. Wie lukrativ das «Loverboy»-Geschäft ist, zeigt auch der Fall der Solothurnerin Mia: Ihr Ex-Freund schuldet ihr gemäss einem Gerichtsurteil heute noch über eine Million Schweizer Franken, die er mit ihr verdient haben soll.
«Act212», ein Verein gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, beobachtet das Phänomen der «Loverboys» mit Sorge. Es könne jede treffen, meint Geschäftsführerin Irene Hirzel: «Wenn das Mädchen zum Beispiel Stress zu Hause oder in der Schule hat, braucht es gar nicht viel, bis sie sich einem Täter öffnet.»
Seltene Verurteilung
Mia hat vor Gericht gekämpft. Ihr Zuhälter wurde unter anderem wegen Menschenhandels sowie Förderung der Prostitution verurteilt – zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und Landesverweis.
Er bestreitet die Vorwürfe und hat gegen seine Verurteilung Berufung eingelegt. Ana hingegen hat vor Gericht keine Gerechtigkeit erfahren – mangels Beweise. Das Verfahren in Ungarn wurde vor Kurzem eingestellt.
*Namen der Redaktion bekannt