Das Coronavirus hat in den letzten Wochen wieder zu mehr kranken Personen geführt. In Spitälern herrscht teilweise erneut Maskenpflicht. Was man über die aktuelle Ausbreitung des Virus weiss und welche Varianten im Umlauf sind, erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
Katrin Zöfel
Wissenschaftsjournalistin
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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.
Rollt eine neue Corona-Welle auf uns zu?
Die Welle ist da. Die allerjüngsten Daten deuten jedoch darauf hin, dass diese Welle ihren Höhepunkt schon wieder überschritten hat und die Infektionen vorerst wieder heruntergehen. Diese Welle war übrigens etwas ganz Neues für Corona: Es war die erste grössere Welle, die nicht von einer neuen Variante getrieben wurde, sondern die kam, weil es sehr lange sehr wenig Ansteckungen gab und gleichzeitig sehr wenig geimpft wurde. Die kollektive Immunität gegen Ansteckungen mit Corona war im Keller.
Wie zuverlässig sind die Daten?
Die Abwasserdaten helfen, aber sie sind auch nur grobe Anhaltspunkte. Man muss sich sehr viel zusammenpuzzeln und immer wieder darauf hinweisen: Das Bild ist unvollständig, vieles kann man nur schätzen. Man weiss zum Beispiel nicht genau, wie viel Virenlast im Abwasser wie vielen Infizierten entspricht, und die Daten decken nur etwa ein Viertel der Bevölkerung ab. Aktuell ist die Virenlast im Abwasser etwa so hoch wie zum Beispiel früh im 2022.
Welche Varianten sind gerade relevant?
Jetzt sind es immer noch vor allem XBB-Varianten; die dominieren schon seit einigen Monaten, als eine Art Variantenschwarm. Wie der Winter wird, hängt vor allem davon ab, ob es noch einmal neue Varianten geben wird, die die XBBs verdrängen können. Sie müssten genetisch deutlich anders sein als die XBBs. Genetisch deutlich anders ist zum Beispiel Pirola oder eine Variante, die gerade neu in Südafrika nachgewiesen wurde. Bei beiden ist aber noch offen, wie ansteckend sie sind, wie gut sie sich also durchsetzen können.
Variante Pirola gibt zu reden
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Die WHO hat die Variante mit der Bezeichznung Pirola gerade zur «Variant of interest» erklärt. Das hat nicht zuletzt den Grund, dass die WHO hofft, so mehr Daten und ein klareres Bild zu Pirola zu bekommen. Bisher ist nur klar, dass sie nicht für schwerere Verläufe sorgt. Aber offen ist noch, wie gut sie den Immunschutz umgehen und dadurch wieder viele neue Infektionen auslösen kann. Zudem weiss man nur lückenhaft darüber Bescheid, wie sehr sie sich ausbreitet und wo sie schon ist. Sollte Pirola eine kräftige Dynamik auslösen können, merkt man das erst, wenn es schon passiert.
Hält der Schutz auch neuen Varianten stand?
Der Immunschutz gegen Ansteckung lässt bei Corona immer wieder nach, das wird durch neue Varianten noch verstärkt. Deshalb gibt es immer wieder diese Infektionswellen. Der Schutz gegen schwere Verläufe ist viel stabiler, auch dann noch, wenn neue Varianten kommen. Denn bei der zellulären Immunreaktion, die für den Schutz gegen schwere Verläufe entscheidend ist, gilt: Sie wird nie nur gegen genau die aktuelle Variante aufgebaut, sondern immer auch – so nach dem Prinzip Zufall – gegen Varianten, die der aktuellen nur ähneln. Das ist ein ziemlich guter Trick unseres Körpers, so entsteht eine breitere Immunität, die für das Virus deutlich schwieriger zu umgehen ist.
Immunität
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Die
Immunität gegen Atemwegskrankheiten
wie Grippe oder Corona ist nicht so unkompliziert wie die gegen Masern, wo man sich einmal infiziert oder impft und dann ein Leben lang immun ist. Wie gut bei Corona der Immunschutz gegen Ansteckung, schweren Verlauf und Long Covid wirkt, hat sich zudem im Verlauf der Pandemie laufend geändert, und: Der
Wissensstand wurde mit der Zeit immer besser
. Das heisst auch: Manche Hypothesen stellen sich mit der Zeit als falsch heraus.
Der
Schutz gegen Ansteckung
ist auch direkt nach einer Immunisierung nie 100-prozentig, sondern nur «leaky», wie Forscher das nennen. Das heisst, dass die Frage, ob man sich ansteckt oder nicht, stark davon abhängt, wie viel oder wenig Virus man abbekommt. Passiert es zum Beispiel draussen und man bekommt wenig Virus ab, dann hält der Schutz oft. Ist man drinnen, mit schlechter Lüftung, bekommt man viel Virus ab und wird trotz Immunschutz angesteckt (
Studie in Connecticut
). Dieser Schutz lässt mit der Zeit nach, und: Er kann von neuen Varianten mit sogenannten «Immune escapes» geschwächt werden. «Immune escape» (auf Deutsch etwa Immunflucht) bedeutet, dass sich das Virus so verändert, dass neue Varianten den Immunschutz, der durch Impfung gegen ältere Varianten oder eine Infektion mit älteren Varianten erworben wurde, ganz oder teilweise umgehen können.
Dann gibt es eine
zweite «Schicht» Immunität, die gegen schwere Verläufe.
Dabei spielt
die zelluläre Immunantwort
die Hauptrolle. Diese Immunität hat eine Art eingebaute Vielfalt. Wenn die hier zuständigen Immunzellen zum ersten Mal einer Virusvariante begegnen, bilden sie Immunität gegen diese Variante aus, aber auch schon ein bisschen gegen Varianten, die ihr nur ähneln. Bei einer zweiten Immunisierung nimmt diese Vielfalt noch zu, nach einer dritten Immunisierung ist die
Vielfalt recht gross und die Immunität gegen schwere Verläufe ist deshalb sehr robust.
Sie hält bis zu einem gewissen Grad auch dann noch, wenn neue Varianten mit «immune escape» auftauchen. Diese zweite «Schicht» Immunität scheint auch mit der Zeit weniger stark nachzulassen als der Schutz gegen Ansteckung.
Wie hoch ist das Risiko für Long Covid noch?
Das Risiko ist nach den Daten, die es gibt, inzwischen deutlich gesunken. Anfangs, also zu Zeiten der ersten Wellen mit der Wuhan-Variante und ganz ohne Immunität dagegen in der Bevölkerung, lag das Risiko etwa bei 10 Prozent. Jetzt liegt es noch bei rund 1 Prozent. Das heisst: Es ist immer noch nennenswert, eine Person von 100, aber es ist deutlich gesunken. Es zeichnet sich auch ab: Das Risiko für denjenigen, der schon mal Long Covid hatte, ist höher als für jemanden, der eine Infektion bereits ohne Long Covid überstanden hat.
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