Das Wichtigste in Kürze
- Ein chronisch kranker Patient bezieht seit Jahren ein gut wirksames Medikament gegen Schuppenflechten.
- Nach dem Wechsel zum Telemedizin-Modell von Sanagate vergisst er ein Mal, den Medikamentenbezug zu melden.
- Die teuren Folgen: Der Patient soll die Arztrechnung von über 5500 Franken selber berappen.
- Eine Umfrage von «Kassensturz» bei den grösseren Versicherern zeigt: Längst nicht alle sind so rigoros.
Jahrelang litt Michele C. an einer grossflächigen Schuppenflechte. Ein grosser Teil seines Körpers war betroffen, entzündet und juckte stark. Erleichterung brachte ihm das Medikament Remicade, welches er regelmässig per Infusion verabreicht bekommt. Der Ausschlag ist mittlerweile fast komplett verschwunden. Für Michele C. bedeutet das neue Lebensqualität: «Ich kann mich wieder freier bewegen, ohne dass ich das Gefühl habe, die Leute starren mich an wegen meiner roten Haut.»
Einmal vergessen, rigoros bestraft
Die Krankheit und der damit verbundene Stress schienen überwunden. Doch dann wechselt Michele C. zur Krankenkasse Sanagate. Er will mit dem günstigeren Telemedizin-Modell Sanacall Geld sparen. Voraussetzung für dieses kostengünstige Modell: Er muss vor jedem Arztbesuch im telemedizinischen Zentrum Medgate anrufen.
Medgate übernimmt für 25 Krankenkassen den telemedizinischen Dienst. Hier hätte Michele C. anrufen müssen, um grünes Licht und ein Zeitfenster für die Behandlung zu erhalten. Doch da dieses Modell neu für ihn ist, vergisst er den Telefonanruf. Und wird dafür gehörig bestraft – mit einer Rechnung über 5500 Franken. Michele C. ist über dieses harte Vorgehen sehr erstaunt: «Ich könnte Sanagate verstehen, wenn ich mehrmals vergessen hätte, anzurufen. Das ist jedoch nur einmal passiert. Da sollte man doch eine zweite Chance bekommen.»
Die meisten Kassen zeigen sich kulant
Ein Telefon vergessen und schon muss der Patient die Arztkosten selber bezahlen. Sind alle Krankenkassen so gnadenlos? «Kassensturz» vergleicht die Praxis der grössten Versicherer für Telemedizin- und Hausarzt-Modelle.
Besonders strikt gehen Sanagate und Assura vor. Bereits beim ersten Regelverstoss wird die Kostenübernahme gestrichen. Nicht ganz so, aber auch streng handelt Atupri. Sie stuft ihre Kunden schon bei einem ersten Regelverstoss in das teurere Standardmodell zurück.
Die Mehrheit der angefragten Kassen ist jedoch kulanter. Beim ersten Regelverstoss mahnen sie ihre Kunden, übernehmen aber die Behandlungskosten. Bei wiederholten Verstössen stufen sie die Versicherten in die Standard-Grundversicherung zurück.
Wir verlangen, dass uns die Versicherten vor jedem Arztbesuch anrufen. Das hat Herr C. nicht gemacht, darum können wir die Kosten nicht übernehmen.
Sanagate übernimmt einen Teil der Kosten
Bei einer anderen Krankenkasse hätte Michele C. nicht so teuer für sein Versäumnis bezahlt.
«Kassensturz» möchte wissen, warum Sanagate die Behandlungskosten von Michele C. ablehnt und fragt bei der CSS, der Muttergesellschaft von Sanagte nach. Pressesprecherin Christina Wettstein erklärt: «Sanagate ist ein Online-Versicherer mit schlanken Strukturen, welche zu günstigeren Prämien führen. Damit wir diese auch in Zukunft anbieten können, verlangen wir, dass uns die Versicherten vor jedem Arztbesuch anrufen. Das hat Herr C. nicht gemacht, darum können wir die Kosten nicht übernehmen.» Trotzdem komme man ihm entgegen und übernehme rund die Hälfte der Rechnung. «Obwohl wir das nicht müssten», betont Christina Wettstein.
Für Michele C., der mit einem schmalen Monats-Budget auskommen muss, sind jedoch auch die 2500 Franken viel Geld: «Ich musste diesen Betrag ausleihen. So etwas wirft mich aus der Bahn.» Ein grosses Lehrgeld für einen vergessenen Telefonanruf.