Kurz bevor der Bundesrat mögliche Lockerungen der Corona-Massnahmen kommuniziert, tauchen immer mehr Forderungen auf. Eine davon: Die Schulen müssten so bald wie möglich geöffnet werden, weil der Fernunterricht für viele Schülerinnen und Schüler nicht oder zu wenig gut funktioniere.
Schwer hätten es insbesondere jene Kinder und Jugendlichen, die auch im normalen Schulunterricht nicht so gut lernen könnten – und jene, die von den Eltern weniger Unterstützung im Fernunterricht bekommen würden. Etwa weil die Eltern arbeiten müssten, keine gute Schulbildung hätten oder nicht gut Deutsch sprechen würden.
«Schule kann soziale Unterschiede ausgleichen»
Für den Basler Erziehungsdirektor Conradin Cramer ist das Problem gross und dringend: «Die Schule hat eine wichtige Integrationsfunktion und kann soziale Unterschiede ausgleichen. In der Schulklasse sind alle gleich. Beim Fernunterricht ist das nicht so. Es gibt die, die mehr Möglichkeiten haben, sich zurückzuziehen in einer Wohnung. Und es gibt die, die diese Ruhe einfach nicht finden in einer kleinen Zweizimmerwohnung, wo sie zu viert leben.»
Wegen der Corona-Massnahmen gehe die Schere auf, sagt Stephan Huber, Professor an der Pädagogischen Hochschule Luzern. Huber hat in einer gross angelegten Befragung die Herausforderungen des Fernunterrichts untersucht. So erwartet Regierungsrat Cramer vom Bundesrat, dass die Schulen eine hohe Priorität haben bei der Lockerung der Corona-Massnahmen.
Zusätzliche Förderung reicht nicht immer
Viele Lehrkräfte seien sehr engagiert für den Fernunterricht, sagt Thomas Minder, Präsident des Verbands Schweizerischer Schulleiterinnen und Schulleiter. Zudem würden alle viel lernen über Digitalisierung. So ist der Fernunterricht auch für manche Schüler eine Bereicherung oder ein Ersatz. Aber eben nicht für alle. Minder: «Es gibt immer Kinder, die den Anschluss verpassen. Es ist uns wichtig, uns um sie zu kümmern und sie nicht zurückzulassen. Das ist jetzt die grosse Herausforderung – und weil die Schülerinnen und Schüler nicht anwesend sind, ist es für uns nun doppelt schwierig.»
Das merkt auch Lehrer Christian Beck-Wörner von der Basler Sekundarschule St. Alban. Er bietet seinen Klassen zusätzliche Fragestunden per Videokonferenz und ist telefonisch für seine Schülerinnen und Schüler erreichbar, wenn Fragen zum Schulstoff oder technische Probleme auftauchen. Diese zusätzlichen Angebote würden oft helfen und den Fernunterricht besser machen – aber nicht immer. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das in den Klassen bei etwa zwei bis drei Schülern nicht funktioniert», sagt Beck-Wörner. In solchen Fällen helfe auch der Kontakt zu den Eltern oft nicht mehr.
Herausforderung für die Eltern
Der Fernunterricht ist auch für viele Eltern ein Aufwand, manchmal gar eine Belastung. Rund ein Drittel der Eltern findet es eine «echte Herausforderung», die Kinder zu Hause bei den schulischen Aufgaben zu unterstützen. Zu diesem Schluss kommt der Schul-Barometer – eine gross angelegte Befragung von Stephan Huber, Professor an der Pädagogischen Hochschule Zug.
Man hat nie einen Moment für sich, hört häufig: Mami, Mami, Mami!
Ähnlich geht es Jagica Matic. Sie ist Mutter von drei schulpflichtigen Kindern und arbeitet Teilzeit. Mit Fernunterricht sei es strenger geworden für sie: «Man hat nie einen Moment für sich, hört häufig: Mami, Mami, Mami!» So sei sie am Abend viel müder – und sie freue sich, wenn die Schule wieder öffne. Heute Donnerstag, 16. April, kommuniziert der Bundesrat, wie es mit den Schulen weitergeht.