«Endlich sehen wir eine Perspektive», sagt Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, als Reaktion auf die vom Bundesrat angekündigte schrittweise Lockerung des Ausnahmezustands ab Ende April. In der Deutschschweiz hatten zuletzt vor allem SVP und FDP entsprechende Forderungen gestellt. In der Westschweiz ist man ungleich zurückhaltender. Warum, erklärt Korrespondent Andreas Stüdli.
SRF News: Wie fallen die Reaktionen in der Westschweiz aus?
Andreas Stüdli: Bei der SRG-Umfrage, die am Dienstag veröffentlicht wurde, zeigte sich eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem sofortigen Hochfahren der Wirtschaft. In der Deutschschweiz ist der Anteil der Personen, die sich eine Lockerung wünschen, viel höher. In der Romandie wünschen sich viele eher eine Verschärfung. Was der Bundesrat am Mittwoch angekündigt hat, wird aber nicht grundsätzlich als negativ angesehen.
Zunächst werden die Massnahmen ja um eine Woche verlängert. Das ist hier ein positives Zeichen. Auch wenn die grundsätzliche Skepsis gegenüber einem baldigen Hochfahren bleibt. Zudem hat man bezüglich den Schulen in der Westschweiz weniger Druck. Die Osterferien sind etwas später angesetzt als in der Deutschschweiz. Bis Ende April sind die Schulen ohnehin zu.
In der Romandie ist man also zufrieden, dass der Ausnahmezustand um eine Woche verlängert wurde?
Ja, eine sofortige Lockerung wäre in der Suisse romande gar nicht gut angekommen. Man muss das auch in den Kontext der Statistiken zu den Corona-Erkrankungen in der Schweiz stellen. Bei den Erkrankten pro Kopf liegen die grossen Westschweizer Kantone Waadt und Genf eher auf Höhe des Tessin. Sie weisen viel höhere Kurven auf als in der Deutschschweiz – auch wenn es nun etwas abflacht und die Anzahl der im Spital behandelten Patienten leicht abnimmt.
Die Forderungen nach einer schnelleren Öffnung der Wirtschaft kamen primär aus der Deutschschweiz. Gibt es in der Romandie keine Vertreter und Vertreterinnen aus der Wirtschaft, die selbiges fordern? Es geht ja um Geld.
Es war frappant. Bei den Ankündigungen und Interviews von Exponenten von SVP, FDP und den grossen Wirtschaftsverbänden haben Vertreter aus der Romandie nie eine grosse Rolle gespielt. Sogar die Westschweizer SVP hat nicht denselben Tonfall bei den Forderungen wie ihre Deutschschweizer Kollegen.
Frankreich ist sehr stark vom Coronavirus betroffen und hat eine sehr strenge Ausgangssperre. Das wird in der Romandie sehr stark wahrgenommen.
Man ist nicht komplett gegen ein Hochfahren der Wirtschaft. Man ist allgemein der Meinung, dass man es etwas später angehen soll. Auch die grossen Wirtschaftsverbände in der Romandie machen sich derzeit eher für stärkere Kantonshilfen stark, zum Beispiel für die Hotellerie, die Landwirtschaft und Selbständige.
Auch die Westschweizer Medien setzen stark auf regionale Lösungen, sodass man das Hochfahren allenfalls noch etwas verzögern könnte. Das hat neben den höheren Fallzahlen in der Romandie sicher auch mit dem Einfluss aus Frankreich zu tun. Das Land ist sehr stark vom Coronavirus betroffen und hat eine sehr strenge Ausgangssperre. Das wird hier sehr stark wahrgenommen. Deutschland, das weniger streng ist, ist eher eine Referenz für die Deutschschweiz. Das hat sicher auch einen Einfluss.
Das Gespräch führte Roger Aebli.