Das Bild machte die Runde und sorgte für Erstaunen: Während der Coronapandemie übermittelten Ärztinnen und Ärzte die Fallzahlen per Fax ans Bundesamt für Gesundheit BAG. Das Faxgerät wurde zum Symbol für den Rückstand der Schweiz bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen.
Heute – rund vier Jahre später – ist der Fax zwar aus einigen Arztpraxen verschwunden, aber längst noch nicht aus allen. Und das Übermitteln von Daten nimmt immer noch viel Zeit in Anspruch. So müssen viele Ärztinnen und Ärzte die Rezepte für Medikamente erst unterschreiben, danach einscannen und den Apotheken mailen. Andere nutzen inzwischen die digitale Unterschrift.
17 Prozent nutzen Fax
Aber wer noch ohne digitale Unterschrift arbeite, verliere viel Zeit: Denn dies gehe teilweise gar länger als faxen, sagt Angelo Barrile. Er ist Präsident des Verbands der Schweizer Ober- und Assistenzärztinnen und -ärzte. Barrile hat bei seinen Mitgliedern eine Umfrage zum Thema Bürokratie gemacht. Resultat: Fast jede fünfte Ärztin, jeder fünfte Arzt benutzt noch regelmässig ein Fax.
Auch in den Unispitälern sind die Faxgeräte noch im Einsatz. Sogar intern zwischen einzelnen Kliniken – weil die Systeme zwar digitalisiert, aber nicht miteinander kompatibel seien. In manchen Fällen würden Unterlagen in andere Kliniken gefaxt und danach werde dort angerufen, um auf den Fax hinzuweisen. Das sind nicht gerade effiziente Abläufe.
Kritik am Status Quo
Daran stört sich auch der Digitalisierungsexperte: Martin Rüfenacht findet, die Fortschritte im Schweizer Gesundheitswesen seien ungenügend, insbesondere in der Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren. In den Spitälern und Arztpraxen werde die Digitalisierung als zusätzlicher Aufwand wahrgenommen.
Der digitale Rückstand ist auch ein Thema im Parlament: «Schluss mit Faxen», so lautet der Titel eines Vorstosses von FDP-Nationalrat Marcel Dobler, der im Ständerat und zuvor bereits im Nationalrat angenommen wurde. Dobler fordert, das Gesundheitssystem müsse besser gewappnet sein für eine künftige Pandemie. Erreicht werden soll dies dadurch, dass Arztpraxen und Spitäler Gesundheitsdaten effizienter übermitteln.
Fortschritte beim Bund
Trotz der Kritik von Parlament und Experten: Beim Bundesamt für Gesundheit sieht man das Ganze positiver: Es seien durchaus Fortschritte erzielt worden, so BAG-Direktorin Anne Lévy.
Die Meldungen an das BAG würden kaum mehr gefaxt. Infektionskrankheiten wie Covid oder Influenza könnten digital gemeldet werden. Zudem verweist Lévy auf das Impulsprogramm DigiSanté des Bundes.
Noch nicht am Ziel
Doch Digitalisierungsexperte Martin Rüfenacht mahnt: Der Rückstand bei der Digitalisierung lasse sich nicht so rasch aufholen. Es brauche nationale Standards und eine straffe zentrale Führung durch den Bund, sonst würden die Millionen von DigiSanté nicht den erwünschten Effekt erzielen. «DigiSanté alleine wird die Probleme im Schweizer Gesundheitswesen weder lösen noch adressieren können.»
Zwar sei die Schweiz – was die Digitalisierung betrifft – inzwischen etwas besser auf eine Pandemie vorbereitet als beim Ausbruch des Coronavirus, aber sie sei noch nicht am Ziel.