Acht Monate später als geplant ist in der Schweiz das erste elektronische Patientendossier eröffnet worden. Das Rennen hat der Kanton Aargau gemacht, Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati eröffnete am Freitag als erster sein eigenes elektronisches Patientendossier, kurz EPD. Damit soll eine neue Ära anbrechen, so die Hoffnung.
Im elektronische Patientendossier sollen alle medizinische Daten einer Patientin oder eines Patienten abgelegt werden: Krankheiten, Medikamente, Allergien, Impfungen, Bilder und Berichte von Behandlungen und Therapien. Die verschiedenen Institutionen des Gesundheitswesens wie Spitäler, Rehakliniken, Pflegeheime oder Apotheken sollen mit Einwilligung des Patienten darauf zugreifen können. Die Eröffnung eines elektronischen Patientendossiers ist freiwillig.
Die Aargauer Bevölkerung hat nun als erste in der Schweiz ab Anfang 2021 die Möglichkeit, ein eigenes EPD zu eröffnen. Ziel ist, dass bis Ende März 2021 das elektronische Patientendossier in allen Aargauer Akutspitälern, Rehakliniken und Psychiatrien ausgerollt ist. In einem nächsten Schritt werden dann Pflegeinstitutionen, Arztpraxen und Apotheken an das Projekt herangeführt.
Das EPD kann zu Verbesserungen der Behandlung führen.
«Das EPD trägt wesentlich dazu bei, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen weiter zu steigern», wird der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati in einer Medienmitteilung zitiert. Zudem könne das EPD zu Verbesserungen der Behandlung führen.
Sind die Aargauer Hausärzte mit an Bord?
Das elektronische Patientendossier nützt aber vor allem dann etwas, wenn möglichst alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen damit arbeiten. Während stationäre Einrichtungen mitmachen müssen, ist dies für ambulante Versorger fakultativ. Nur: Ausgerechnet der Aargauische Ärzteverband zweifelt am Nutzen. «Das elektronische Patientendossier kostet ein Heidengeld, man muss mir erst beweisen, dass es auch Vorteile bringt», sagt Präsident Jürg Lareida.
Es kostet viel und bringt im Moment nur Aufwand.
Der Aufwand sei gross, das Instrument nicht praxistauglich. «Doppelspurigkeit werde damit nicht vermieden, denn diese sei oft gewollt, weil Spitäler etwa Befunde überprüfen wollen.» Dennoch will sich Lareida beim EPD beteiligen. «Wir müssen es weiterentwickeln und schauen, dass es kein Rohrkrepierer wird.»
Übrige Schweiz hinkt hinterher
Um das elektronische Patientendossier gesetzeskonform einzuführen, schliessen sich die Spitäler zu Gruppen zusammen, den sogenannten Stammgemeinschaften. Später kommen weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens hinzu. Die Aargauer Gruppe hat als erste grünes Licht der Behörden erhalten, weitere acht Gruppen befinden sich derzeit im Prozess.
Das gilt auch für die grösste Gruppe, der Stammgemeinschaft Axsana. Ihr gehören 14 Kantone an. Geschäftsführer Samuel Eglin möchte im Februar einen Pilotversuch starten. «Wir beginnen mit ein paar wenigen Gesundheitseinrichtungen, konkret mit einem Pflegeheim und fünf Spitälern, die über verschiedene Regionen in der Deutschschweiz verteilt sind.»
Eigentlich hätten alle Spitäler der Schweiz das elektronische Patientendossier im Frühling 2020 einführen müssen. Doch schon vor einem Jahr wurde klar, dass der Zertifizierungsprozess aufwändiger ist, als erwartet und ein pünktlicher Start deshalb unmöglich sein wird. Noch bleibt also offen, wann das EPD überall in der Schweiz verfügbar sein wird.