Knapp drei Jahre nach dem Tod der Frauenrechtlerin Marthe Gosteli ist die Zukunft ihres Archivs alles andere gesichert. Das Vermächtnis zu bewahren, weiterzuentwickeln und zu digitalisieren, koste etwa zwei Millionen Franken pro Jahr, sagt Silvia Bühler, die Leiterin des Archivs der Gosteli-Stiftung.
Fehlende Sichtbarkeit der Frauen
Gleiche Rechte für Frau und Mann, das war das zentrale Thema ihres Lebens, ihre Mission, der sie alles andere unterordnete. 1982 begann Gosteli in ihrem Elternhaus im Berner Vorort Worblaufen die Geschichte der Schweizer Frauen zu dokumentieren. Sie gründete eine Stiftung, steckte ihr Vermögen hinein.
«Sie hat das Archiv gegründet, weil sie erkannt hat, dass die Geschichte der Schweizer Frauen in den staatlichen Archiven nicht sichtbar war», erzählt Bühler. Das lag auch an den fehlenden politischen Rechten. «Sie hat die Unterlagen gesichert. Ohne diese wäre ein wesentlicher Teil der neueren Schweizer Geschichte verloren.»
Unter dieser Vielzahl an Dokumenten sind zum Beispiel die Akten des Frauengefängnisses Hindelbank oder der Nachlass der Diplomatin Gertrud Lutz-Fankhauser, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit ihrem Mann Carl Lutz in Ungarn Zehntausenden Juden das Leben gerettet hatte.
Die Geschichtsschreibung sei immer noch vorwiegend männlich geprägt, Frauen und ihre Leistungen würden immer noch viel zu wenig gewürdigt, sagte die damals 99-Jährige 2017 gegenüber Radio SRF: «Die Frauen haben eine Geschichte in unserem Land. Das ist lange nicht berücksichtigt worden.»
Gosteli starb am 7. April 2017. Seither laufen Bemühungen, das Archiv zu bewahren. Im Parlament wurden fünf gleichlautende Postulate zum Erhalt des Archivs angenommen. Die Gosteli-Stiftung reichte ein Gesuch um finanzielle Unterstützung beim Bund ein. Ein Vorentscheid wird demnächst erwartet.
Kommission schaltet sich ein
Nun macht auch die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats Druck: Letzte Woche reichte sie eine Motion ein und fordert damit den Bund explizit auf, der Gosteli-Stiftung das benötigte Geld zu sprechen.
Das Vorgehen sorgt für Kritik: SVP-Nationalrat Peter Keller etwa war in der Kommission dagegen. Auch er sehe den Wert des Archivs, doch: «Es gibt bestimmte Kriterien, die erfüllt werden müssen, damit ein Archiv oder ein Museum in den Genuss von Bundesmitteln kommt. Es ist nicht an der Politik, so ein Verfahren auf den Kopf zu stellen und selber zu entscheiden.»
Eigentlich habe Keller recht, gibt SP-Nationalrat Matthias Aebischer, der ebenfalls in dieser Kommission sitzt, zu. Was die Kommission da gemacht habe, sei tatsächlich etwas unschön – aber: «Das Gosteli-Archiv ist einzigartig, dort wird die Geschichte der Frauen in der Politik archiviert.»
Ohne Hilfe vor dem Aus
Nun stehe die Digitalisierung an: «Das kann man in Freiwilligenarbeit nicht leisten. Deshalb ist die Mehrheit der Kommission der Meinung, dass der Bund dort einsteigen soll.» Falls der Bund ab 2021 tatsächlich einsteigt, gibt es auch Geld vom Kanton Bern, das ist schon beschlossene Sache. Dann hätte das Archiv eine Zukunft, sagt Archivleiterin Bühler. Und was, wenn nicht?
Dann würde es wahrscheinlich aufgelöst, sagt sie. Denn wie bisher, ohne finanzielle Unterstützung, könne sich das Archiv nicht mehr lange halten.
Echo der Zeit, 30.01.2020, 18.00 Uhr