Bio-Bauer Roman Clavadetscher hat es hautnah erlebt, wie die männlichen Küken getötet werden und er habe es nie verstanden. Er wollte es anders machen. Schon vor zehn Jahren fing Clavadetscher daher an, auf seinem Hof in Malans im Kanton Graubünden Bruderhähne grosszuziehen. «Heute ist das noch ein bescheidener Rahmen von etwa 30'000 Bruderhähnen pro Jahr.»
Gemessen an den drei Millionen männlichen Küken, die pro Jahr in der Schweiz vergast werden, ist das nicht viel. Rentabel sei das auch nicht. Der Hahn braucht viermal mehr Futter als eine entsprechende Mastrasse.
Und darum muss das Geld woanders mitverdient werden. «Es braucht den Konsumenten und die Konsumentin, die mithelfen, indem sie mehr bezahlen für ein Ei. Das hilft uns, die Bruderhahnzucht zu finanzieren», sagt der Bio-Bauer.
Wettbewerbsnachteil: die Ästhetik
Wenn der Bruderhahn mal gross und gerupft ist, zeigt sich ein weiterer Wettbewerbsnachteil: «Er sieht eher aus wie ein Suppenhuhn als ein Poulet.» Er habe ein schlechtes Fleisch-Knochen-Verhältnis, sieht also mager aus. Obwohl das Fleisch sehr schmackhaft sei, blieb der Güggel, wo er im Ganzen angeboten wurde, ein Ladenhüter, sagt Clavadetscher. «Der ganze Bruderhahn ist sehr schlecht verkäuflich.»
Angefragte Detailhändler wollen das so direkt nicht bestätigen. Die Nachfrage sei konstant, heisst es bei Coop. Zahlen werden aber nicht genannt. Aldi Suisse hat die Bruderhähne – nach eigenen Angaben – ohnehin nur als Saisonprodukt angeboten und inzwischen ganz aus dem Sortiment genommen. Die Migros bietet nur noch einen Demeter-Hahn an. Der Marktanteil sei verschwindend klein.
Verkauf in Teilstücken
Weil der Hahn im Ganzen nicht überzeugen kann, hat Bauer Clavadetscher seine Vermarktungsstrategie inzwischen geändert. Er serviert seine Güggel nun in kleineren Portionen, in Teilstücken wie Brust oder Schenkel. Sie seien auch noch einen Schritt weitergegangen und hätten verarbeitete Produkte verkauft.
Die Entscheidung von Bio Suisse, ab 2026 alle männlichen Küken am Leben zu lassen, sieht Clavadetscher daher als grosse Chance. Auch der Verband Bio Suisse hält die Bruderhähne als Nugget oder Burger für gut vermarktbar und verweist auf das Nachbarland Österreich, wo das Bruderhahn-Fleisch schon länger auf dem Markt ist.
Das grössere Potenzial sieht der Verband aber bei speziell gezüchteten Rassen, den sogenannten Zweinutzungshühnern. Diese legen zwar weniger Eier, setzen dafür aber mehr Fleisch an. «Die Hähne dieser Rasse sind relativ gut im Fleischzuwachs und sie verwerten das Futter gut», sagt Bio-Suisse-Sprecher David Hermann.
Auch Clavadetscher findet den Ansatz sinnvoll. Er erwartet aber, dass es noch Jahre dauert, bis ein Zweinutzungshuhn gezüchtet ist, das sowohl ausgewogen Eier legt, als auch genug Fleisch produzieren kann.
Wir sind sicher, dass die Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind, diesen Preis mitzutragen, wenn sie die Geschichte dazu kennen.
Ein Problem bleibt aber: Die Aufzucht der Bruderhähne bleibt auch dann teuer. Finanziert werden soll das über einen höheren Eier-Preis. «Wir sind sicher, dass die Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind, diesen Preis mitzutragen, wenn sie die Geschichte dazu kennen.» Denn dafür löse man ja ein ethisches Problem, sagt Bio-Suisse-Sprecher Hermann.
Der Detailhandel hat bereits versprochen, mitzuziehen. Bauer Clavadetscher freut das. Die Verhandlungen mit Aldi Suisse über die künftige Vermarktung von Bruderhuhn-Fleisch laufen bereits.