Was haben Steuerabzüge für Gutverdienende, Vorwürfe an die Mitte, Asylsuchende, Bauern und «Gucci-Täschlis» gemeinsam? Nichts, möchte man meinen. Aber das ist falsch.
Denn es ist Wahlkampf – in gut einem Monat wählen wir ein neues Parlament – und da kommt es durchaus auch mal vor, dass die Damen und Herren Nationalrätinnen und Nationalräte die unterschiedlichsten Themen miteinander vermischen, um Werbung für sich selber zu machen und den politischen Gegner in ein schlechtes Licht zu rücken. So geschehen heute Vormittag im Nationalrat bei einer Debatte über die Erhöhung von Steuerabzügen, die eigentlich chancenlos war.
Aeschi greift Mitte an
Wie so oft gab auch heute Vormittag der Fraktionschef der SVP, Thomas Aeschi, den Ton vor – mit einem Frontalangriff: «Welche Partei in diesem Spiel eine ganz komische Rolle spielt, ist leider die Mitte-Partei.»
Konkret geht es um folgendes: Bereits heute kann man für die Krankenkassenprämien eine Pauschale bei den Steuern abziehen. SVP und FDP wollen diesen Abzug erhöhen, das unterstützte einst auch die Mitte, doch hat sie ihre Meinung geändert. Deshalb doppelte Aeschi nach: «Es ist für mich völlig unverständlich, dass die Mitte-Partei jetzt dreht und plötzlich sagt ‹Nein, wir wollen den Mittelstand nicht entlasten›.»
Aeschi will seine SVP als Mittelstandspartei positionieren, die sich um das Portemonnaie des Mittelstands kümmert. Doch hier gaukle er etwas vor, erwiderte Markus Ritter von der Mitte: «Wir haben hier nicht eine breite Entlastung der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler. Dieses Geld geht an die vermögendsten und einkommensstärksten Schichten.»
Vom höheren Steuerabzug würden vor allem die Gut- bis Sehr-gut-Verdienenden profitieren. Zudem würde der Bund ungefähr 400 Millionen Franken weniger einnehmen, weshalb er anderer Stelle sparen müsste: «Wenn Sie hier zustimmen, erhöhen Sie den Spardruck auf unsere Bauernfamilien. Und zwar direkt.»
Badran und die Gucci-Täschli ...
Der Kampf um den Mittelstand und die Bauern ist lanciert, aber viel würden die gut Verdienenden profitieren, wenn die Abzüge für die Krankenkassenprämien erhöht würden. Jacqueline Badran von der SP rechnete vor: «Für das oberste Einkommens-Dezil führt diese Vorlage zu einer Steuerreduktion von 250 Franken pro Jahr. Das entspricht einem Viertel des billigsten Gucci-Täschlis.»
In der Zwischenzeit hatte der erste Vizepräsident des Nationalrats, Eric Nussbaumer, auf dem Präsidentenstuhl Platz genommen und ergriff das Wort: «Herr Aeschi möchte Ihnen eine Frage stellen, Frau Badran.» «Oh, gerne.» erwiderte diese.
... und Aeschi und das Asylchaos
Aeschi: «Frau Badran, wegen der Massenzuwanderung steigen die Mieten, wegen des Asylchaos steigen die Krankenkassenprämien. Und Sie sprechen hier von Gucci-Täschli. Was für eine abgehobene Cüpli-Sozialistin sind Sie?»
Sie wollen die reichsten zehn Prozent in der Höhe eines halben Gucci-Täschlis entlasten und tun noch so, wie wenn das volkswirtschaftlich sinnvoll wäre.
Diesen Steilpass nahm Badran gerne auf und erwiderte: «Nein, nein, es ist umgekehrt. Sie wollen die reichsten zehn Prozent in der Höhe eines halben Gucci-Täschlis entlasten und tun noch so, wie wenn das volkswirtschaftlich sinnvoll wäre.»
Am Schluss stellte sich vor allem eine Frage: Wer politisiert eigentlich für welche Interessen?