Gestern gab es viel Lob für das «Ja, aber» des Bundesrats zum Rahmenabkommen mit der Europäischen Union. Sobald drei Punkte präzisiert sind, soll unterschrieben werden. Gekommen ist das Lob es von den meisten Parteien, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden. Und auch Brüssel reagierte positiv.
Doch schon einen Tag später sieht die Welt wieder anders aus. So fordert etwa Pierre-Yves Maillard vom Gewerkschaftsbund Neuverhandlungen mit der EU, was diese ablehnt.
Wichtig für die Börsenäquivalenz
Und doch sei man weitergekommen, meint Michael Hahn. Für den Direktor des Instituts für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht der Universität Bern ist es eine Fortsetzung des Dialogs. Für eine Verlängerung der Anerkennung der Börsenäquivalenz sei das grundsätzliche Bekenntnis des Bundesrats zu diesem Entwurf wichtig.
Ebenso sieht es Astrid Epiney, Professorin für Europarecht an der Universität Freiburg. Der Bundesrat scheine mit dem Grundstrickmuster des Vertrags einverstanden. So wolle er offenbar über das Vorgehen im Falle von Streitigkeiten zwischen der Schweiz und der EU nicht mehr verhandeln.
Die offenen Fragen, die der Bundesrat noch habe, darüber könne man diskutieren. Zum Beispiel beim Lohnschutz. Dazu stehe im Rahmenvertrag der Grundsatz «gleicher Lohn, für gleiche Arbeit, am gleichen Ort». Den Vertragspartnern werde zugestanden, notwendige und hinreichende Kontrollen zur Durchsetzung des Grundsatzes durchzuführen. Hier könne man gewisse Aspekte noch klären, meint Epiney.
Keine Abstriche bei den flankierenden Massnahmen
Diese Diskussionen dürften aber nicht ganz einfach ausfallen. Denn der oberste Gewerkschafter der Schweiz, Pierre-Yves Maillard, machte heute klar, was er will: Neuverhandlungen mit der EU. Bei den flankierenden Massnahmen will er keine Abstriche. Und er will auch nicht, dass der EU-Gerichtshof diese auf ihre Konformität überprüft. Daher brauche es grundsätzliche Anpassungen am Vertragstext, sagte Maillard in der NZZ.
Neuverhandlungen hat die EU aber stets ausgeschlossen. Ob die Klärungen, wie es beim Bundesrat diplomatisch heisst, die vom Gewerkschafter gewünschten Änderungen bringen, bezweifelt Christa Tobler, Professorin für Europarecht an der Universität Basel. Sie erwarte nicht, dass die EU jetzt plötzlich den Teil über die flankierenden Massnahmen herausnehmen oder gänzlich umschreiben würde. Für sie wäre das eine Überraschung.
Sozialpartner müssen an Bord sein
Ist die Schweiz auf ihrem Weg zu einer Einigung mit der EU nun einen Schritt weitergekommen? Carl Baudenbacher kann diese Frage so nicht beantworten. Der frühere Präsident des Efta-Gerichtshofes in Luxemburg schrieb ein kritisches Rechtsgutachten über das Vorgehen im Streitfall – Stichworte: Schiedsgericht und Europäischer Gerichtshof. Für ihn ist die Schweiz ganz grundsätzlich auf dem Holzweg.
Ganz von vorne, wie es Baudenbacher wohl am liebsten hätte, beginnen die Verhandlungen aber sicher nicht. In den nächsten Wochen starten Gespräche zwischen Gewerkschaftern, Arbeitgebern und Bundesrat. Der Landesregierung ist klar, dass die Sozialpartner an Bord sein müssen.
Die Europäische Union hätte gerne bis im Herbst eine Unterschrift der Schweiz unter dem Rahmenvertrag. Ob die Zeit dazu reicht, bleibt offen.