Ja zu einem einigen Europa, nein zum Rahmenabkommen so wie es jetzt auf dem Tisch liegt. Das ist die Haltung von SP Co-Präsident Cédric Wermuth – und das hat er heute an der virtuellen Delegiertenversammlung seiner Partei erneut klargemacht.
Wermuth sieht sich durchaus als europäischer Bürger. Aber der aktuelle Entwurf für ein institutionelles Rahmenabkommen gehe gar nicht. «Ich habe noch nie so oft schlecht geschlafen. Nicht weil ich nicht zu 100 Prozent von der Position der Partei überzeugt bin, sondern weil ich es mir wünschen würde, dass wir ein anderes Ergebnis vor uns hätten.»
Brief an die Parteileitung
Namentlich der Lohnschutz sei mit dem vorliegenden Rahmenabkommen gefährdet. Anders sehen es die über 30 Personen, die einen Brief an die SP-Parteileitung und die Fraktion geschrieben haben und eine offenere europapolitische Diskussion fordern.
Darunter sind Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss, die frühere Waadtländer Ständerätin Yvette Jaggi, der Basler Regierungspräsident Beat Jans, Ex-SBB Chef Benedikt Weibel oder auch der Zürcher Alt-Regierungsrat Markus Notter.
Letzterer spricht von einer Wahrnehmungsstörung bei seiner Partei und bei der offiziellen Schweiz: «Wahrnehmungsstörung sag ich deshalb, weil man nicht zur Kenntnis nehmen möchte, dass der Vertragsentwurf für die Schweiz viele Vorteile bringt.»
Juristisch auf wackeligen Füssen
Aktuell nämlich stünde die 8-Tage-Meldepflicht und die Kautionspflicht juristisch auf wackeligen Füssen. Heute ist es so, dass Arbeitgeber aus der EU, 8 Tage bevor sie Angestellte in die Schweiz entsenden, dies den Schweizer Behörden melden müssen.
Und in gewissen Branchen müssen Arbeitgeber der Schweiz eine Kaution bezahlen. Dies als Sicherheit, falls sie Schweizer Arbeitsrecht verletzen und eine Busse bezahlen müssten.
Diskriminierung von EU-Arbeitgebern?
Diese beiden Massnahmen könnten vor Bundesgericht landen, sagt Jurist Notter. «Es kann sein, dass jemand die Vorschriften verletzt und sanktioniert wird. Diese Person könnte das Ganze gerichtlich anfechten und beim Bundesgericht landen.»
Das Bundesgericht habe bereits in verschiedenen Fällen überprüfen müssen, ob die flankierenden Massnahmen, wie sie das schweizerische Entsendegesetz kennt, dem Freizügigkeitsabkommen entsprechen oder nicht, so Notter. Einige Juristen seien der Ansicht, das Melde-und Kautionspflicht als Diskriminierung von EU Arbeitgebern bewertet werden könnte.
Wermuth will Diskussion
Im vorliegenden Vertragsentwurf für das Rahmenabkommen seien diese Punkte zwar aus Schweizer Sicht abgeschwächt worden. Aus der 8-Tage-Regel wurde eine 4-Tage-Regel. Aber: immerhin seien sie vertraglich festgehalten und würden so mehr juristische Sicherheit geben.
SP Co-Präsident Wermuth kontert: «Das ist kein Europa-politisches Pro-Seminar. Es geht darum, was politisch Bestand hat.» Leider sei es so, dass die Aussagen der EU klar seien: «Man will weniger Lohnschutz in der Schweiz. Deshalb ist es inakzeptabel.» Einer Diskussion will sich Wermuth jedoch nicht verschliessen. Das habe man in seiner Partei noch nie gemacht.