Fünf Wochen vor Viola Amherds Abschied aus dem Bundesrat überschlagen sich die Ereignisse im krisengeschüttelten Verteidigungsdepartement. Die Ruag-Betrugsaffäre wirft Schatten aufs VBS, und jetzt reichen auch noch die Chefs der Armee und des Nachrichtendienstes ihre Kündigung ein.
Beide hätten sich wohl nicht mehr lange im Verteidigungsdepartement halten können, sind viele Sicherheitspolitikerinnen und Sicherheitspolitiker überzeugt. Denn mit dem baldigen Ende von Amherds Amtszeit wackeln die Stühle der beiden wichtigsten Führungspersönlichkeiten im VBS gewaltig. Sowohl in der Armee wie im Nachrichtendienst häuften sich die Probleme an. Ein neuer Bundesrat an der Spitze des VBS, wahrscheinlich Martin Pfister oder Markus Ritter, hätte die beiden Chefs von Armee und NDB wohl so oder so bald durch neue Köpfe ersetzt. Die beiden Chefs kommen mit ihrer Kündigung diesem Schritt wohl zuvor.
Amherds Armeechef
Beim Armeechef machten schon länger die Gerüchte die Runde, er werde unter einem neuen Bundesrat wohl nicht mehr lange im Amt sein. Thomas Süssli galt immer als Lieblings-Armeechef von Verteidigungsministerin Viola Amherd. Mit ihm rechnete damals niemand: Ein Quereinsteiger aus der Bankenwelt, mit Cyber-Hintergrund – Viola Amherd machte den Aussenseiter 2020 zum Chef der Armee. Süsslis Aufstieg ist fast untrennbar verbunden mit Amherds Karriere.
Milliardenprojekte nicht auf Kurs
Einige höhere Stabsoffiziere fühlen sich weiter bis heute übergangen. Süsslis Kritiker bemerken auch mit etwas Schadenfreude, ausgerechnet er, der Wirtschaftsinformatiker und Spezialist für elektronische Kriegsführung, hatte grosse Mühe, die problembehafteten milliardenteuren IT-Projekte der Armee wieder auf Kurs zu bringen. Spätestens seit die Finanzaufsicht des Parlaments die Armeeprojekte im Umfang von 19 Milliarden Franken scharf kritisierte, ist Süssli schwer angeschlagen. Die Ruag-Betrugsaffäre steht dagegen kaum in einem Zusammenhang mit seiner Kündigung.
Süssli war nun aber auch sechs Jahre Korpskommandant – für einen Armeechef eine ansehnliche Amtsdauer. Seine Vorgänger waren kürzer oder nur unwesentlich länger an der Spitze der Armee.
Kritik von allen Seiten am NDB-Chef
Dass auch Nachrichtendienstchef Christian Dussey geht, ist wenig erstaunlich. Ihm gelang die Modernisierung des Nachrichtendienstes nicht richtig. Die parlamentarische Aufsicht übte scharfe Kritik an seiner Amtsführung. Dussey startete gleich nach seinem Amtsantritt vor drei Jahren eine grosse Reorganisation im Nachrichtendienst, diese führt bis heute zu schlechter Stimmung in der Belegschaft. Die Kantone sind teilweise unzufrieden mit der Arbeit der Behörde.
Viola Amherd verpasste Dussey im letzten Sommer einen Aufpasser oder zumindest einen «Führungscoach». Seither rechneten viele Insider in Bundesbern damit, dass der viel kritisierte Nachrichtendienstchef bald gehen könnte.
Amherds Bilanz trübt sich noch mehr ein
Für die abtretende Bundesrätin ist der heutige Tag ein Fiasko. Das ganze Ausmass des mutmasslichen Millionenbetrugs in der Ruag wurde bekannt, dazu kommt jetzt noch der Doppelrücktritt in der Armee und im Nachrichtendienst. Die Bilanz von Viola Amherd nach sechs Jahren an der Spitze des VBS trübt sich immer mehr ein. Ihre Erfolge wie das Volks-Ja zu neuen Kampfjets scheinen in weite Ferne zu rücken.