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Warum ein Kurde trotz Flüchtlingsstatus ausgeschafft wird
Aus 10 vor 10 vom 06.11.2017.
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Drohende Ausschaffung Schweizer Flüchtling bangt um sein Leben

Ein in der Schweiz anerkannter Flüchtling soll von Kroatien in die Türkei ausgeschafft werden. Wie ist das möglich?

Seit Juni sitzt Nurettin Oral im Gefängnis in Osijek, der viertgrössten Stadt Kroatiens. Die Türkei fordert seine Ausschaffung wegen Separatismus. In der Türkei drohen ihm bis zu 20 Jahre Zuchthaus – und Folter.

Nurettin Oral war von der Schweiz aus unterwegs an eine Hochzeit, als ihn die kroatische Polizei bei einer Kontrolle festnahm. Auf Interpol hat ihn die Türkei zur Fahndung ausgeschrieben wegen Separatismus und hat Kroatien um die Auslieferung ersucht.

Seine Ehefrau Huhi Oral rechnet bei einer Auslieferung an die Türkei mit dem Schlimmsten: «Die Menschenrechtslage ist derzeit sehr schlimm in der Türkei. Viele Unschuldige sitzen im Gefängnis und werden gefoltert.» Die Sorge um ihren Mann bringt Huhi Oral um den Schlaf. Sie findet nur noch mit Hilfe von Medikamenten zur Ruhe.

Anerkannter Flüchtling

Frau wischt sich Tränen aus den Augen.
Legende: Seit Monaten bangt Huhi Oral um das Schicksal ihres inhatierten Mannes. SRF

Die Türkei wirft Nurettin Oral Separatismus vor, weil er 1999 im Irak für die kurdische Arbeiterpartei PKK kämpfte. Bei den Gefechten sollen zehn türkische Soldaten getötet und sechs weitere verwundet worden sein.

Oral Nurettin sass drei Jahre in einem irakischen und ein Jahr in einem türkischen Gefängnis, bis er 2002 freigelassen wurde. Die Schweiz anerkannte ihn 2005 als Flüchtling. Sein Leben sei in der Türkei bedroht. Asyl wurde ihm aufgrund seiner Vergangenheit nicht gewährt. In der Zwischenzeit hat Nurettin Oral eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Bern.

Hintergrund zur PKK

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Die Arbeiterpartei Kurdistans, kurz PKK, wurde 1978 gegründet und begann 1984 den bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Kurdistan. Die PKK gilt u. a. in der Türkei, der EU und den USA als «terroristische Vereinigung». In der Schweiz gehört die PKK nicht zu den verbotenen Organisationen.

Aus Sicht des kroatischen Obergerichts ist eine Ausschaffung gerechtfertigt. Doch seine Anwältin vor Ort, Sandra Dražić Karalić, widerspricht: «Das missachtet die Menschenrechte von Herrn Oral. Das Gericht hat überhaupt nicht berücksichtigt, dass Herr Oral in der Schweiz als Flüchtling anerkannt ist.»

Aussenministerium informierte vergeblich

Tatsächlich ist im Entscheid des kroatischen Obergerichts mit keinem Wort erwähnt, dass Oral Nurettin von der Schweiz als Flüchtling anerkannt wurde. Obwohl die Schweizer Behörden darüber informierte, wie das Aussenministerium auf Anfrage schreibt: «Das EDA hat mit den kroatischen Behörden Kontakt aufgenommen, diese insbesondere über die Flüchtlingseigenschaft (des Verhafteten) informiert und auf das Nichtrückweisungsprinzip hingewiesen.»

Kroatien wäre als EU- und Europaratsmitglied verpflichtet sich an die EU-Grundrechtscharta und die europäische Menschenrechtskonvention zu halten. In beiden Verträgen ist festgehalten, dass bei drohender Folter eine Person nicht ausgeschafft werden darf.

Seine Anwältin, Sandra Dražić Karalić, versucht ihren Mandanten von seinem Freispruch zu überzeugen: «Das höchste Gericht in Kroatien wird zu seinen Gunsten urteilen. Das letzte Wort hat unser Justizminister und dieser würde einer Ausschaffung niemals zustimmen.» Trotz ihrer Ermunterungen verliere ihr Mandant sein Vertrauen in die kroatischen Gerichte, schildert Karalić.

Stacheldraht vor Mauer mit desolater Fassade.
Legende: In diesem kroatischen Gefängnis im Osten des Landes ist der Kurde Nurettin Oral inhaftiert. SRF
Er ist sich bewusst, dass ihm in der Türkei Folter, möglicherweise sogar der Tod droht. Er fürchtet um sein Leben.
Autor: Sandra Dražić Karalić Anwältin des inhaftierten Nurettin Oral

Für die Familie steht zu viel auf dem Spiel, als dass sie ans Aufgeben denken könnte, schildert Ehefrau Huhi Oral: «Für mich und die Kinder wäre das eine Katastrophe. Unsere Familie ginge kaputt. Wir werden alles tun, damit das nicht passiert.»

Die Schweiz könnte verhindern, dass anerkannte Flüchtlinge überhaupt in eine solche Situation geraten, ist Nationalrat Balthasar Glättli überzeugt: «Die Schweiz muss sich international bei Interpol einsetzen, damit man keinen Raum bietet, Haftbefehle zu missbrauchen für politische Zwecke. Mit politisch motivierten Haftbefehlen versucht die Türkei schon seit langem Oppositionelle ins Land zurück zu zwingen.»

Möchte ein in der Schweiz anerkannter Flüchtling herausfinden, ob er im Ausland über Interpol gesucht wird, braucht er heute einen Anwalt. Ein unhaltbarer Zustand aus Sicht von Glättli: «Es braucht eine Helpline, über die man abklären kann, ob man sicher in ein Drittland reisen kann.».

Es dürften noch Monate vergehen, bis es in Kroatien zu einem definitiven Entscheid kommt. Sollte Nurettin Oral tatsächlich abgeschoben werden, könnte er Kroatien vor dem Gerichtshof für Menschenrechte einklagen. Bis zu einem Urteil in Strassburg kann es mehrere Jahre dauern, zu überlastet ist der Gerichtshof – insbesondere mit Fällen zur Türkei.

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