«Endlich Sicherheit schaffen.» So wirbt die SVP für ihre Durchsetzungsinitiative. Geht es nach der Partei, sollen kriminelle Ausländer in jedem Fall ausgeschafft werden. Oder etwa doch nicht? Der Vorschlag des Rechtsprofessors und SVP-Nationalrats Hans-Ueli Vogt, kriminelle Secondos bei Bagatellfällen nicht auszuschaffen , sorgt für Diskussionen. Nicht zuletzt deshalb, weil Vogt von drei SVP-Ständeräten Unterstützung erhält, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.
Die SVP selber stellt zwar klar, dass Vogt damit seine persönliche Meinung vertritt und nicht die Parteilinie. «Unsere Haltung war immer klar und hat sich nicht geändert», sagt die stellvertretende SVP-Generalsekretärin Silvia Bär. «Kriminelle Secondos werden schon heute ausgeschafft und das soll auch in Zukunft möglich sein.»
Gar nicht so radikal?
Dennoch: Die Debatte ist lanciert. Und die Frage stellt sich, ob es sich hier tatsächlich um inhaltliche Differenzen innerhalb der Partei handelt – oder um reine Abstimmungstaktik. Will die Partei damit den Eindruck erwecken, dass die Initiative so radikal gar nicht sei und keine weitere Verschärfung darstelle?
Diese Vermutung hat Daniel Kübler vom Zentrum für Demokratie Aarau. «Die Diskussion zielt wohl darauf ab, jene Wähler abzuholen, die für die Initiative Sympathien haben», sagt Kübler. «Indem man die Vorlage als moderat verkauft, versucht man, sie auch für Nicht-Hardliner attraktiv zu machen.»
Schwächen zuzugeben, ist gefährlich
Eine solche Strategie sei politisch nicht ungefährlich, sagt Politikwissenschaftler Lukas Golder vom Meinungsforschungsinstitut gfs.bern. Auf die Schwächen der eigenen Vorlage aufmerksam zu machen, berge ein Risiko: «Wenn die Leute merken, dass eine Initiative Schwächen hat, verliert sie normalerweise an Zustimmung.» Doch die SVP habe erkannt, dass die Härtefall-Thematik in dieser Abstimmungskampagne zentral sein werde.
Zudem sei die Partei mit dieser Taktik – sich gewissermassen auf das Feld der Gegner zu begeben – auch schon erfolgreich gewesen. So hatten die Gegner der Masseneinwanderungsinitiative der SVP im Vorfeld vorgeworfen, damit die Bilateralen zu gefährden. Diese antwortete, dass die EU an einer Auflösung der Verträge kein Interesse habe – und verwendete im Abstimmungskampf gar die Apfelbäumchen-Plakate, die zum Sinnbild der Bilateralen geworden waren, um für die eigene Initiative zu werben. «Auch damals hat die SVP vor der Abstimmung argumentiert, die Folgen der Initiative seien gar nicht so drastisch; Nachverhandlungen mit der EU seien möglich», sagt Golder.
Nicht so eindeutig
Die Strategie ging auf. «Viele Stimmbürger haben sich wohl gesagt, ‹Ja, das müssen wir wagen, wir müssen der EU die Stirn bieten›», sagt Golder. Ob die Diskussion um die Secondos denselben Effekt haben werde, sei noch nicht absehbar. Es sei aber gut möglich, dass der Gedanke hängenbleibe, dass Secondos von der Initiative nicht betroffen seien.
Indes macht die Debatte auch deutlich, dass die Durchsetzungsinitiative nicht so eindeutig ist, wie das die SVP propagiert. «Offenbar sind sich nicht einmal die alt Bundesrichter einig , was die Folgen der Initiative wären», sagt Politologe Daniel Kübler.
Tatsächlich argumentiert alt Bundesrichter Giusep Nay (CVP), dass es auch bei einem Ja zur Ausschaffungsinitiative keine automatischen Ausschaffungen gebe. Denn die Richter hätten auch das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen, das ebenfalls in der Bundesverfassung verankert ist.
Anders sieht das Hans Mathys. Auch er ist pensionierter Bundesrichter – und Mitglied der SVP. Er sagt, die Initiative müsste ausnahmslos gelten: «Wenn das Volk Ja sagt, dann sagt es natürlich auch: Aus unserer Sicht ist diese Bestimmung verhältnismässig. Man kann nicht nachher wieder sagen: Nein, das ist unverhältnismässig.»