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Ehrengräber in Zürich Sie spendeten den Körper für die Medizin – nun wurden sie geehrt

Damit Medizin-Studierende ihr Handwerk an echten Körpern lernen können, haben sie ihren Leichnam gespendet.

Während sie noch am Leben sind, hegen sie den Wunsch und treffen die Entscheidung, nach dem Tod ihren Leichnam der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Damit Medizin-Studentinnen und -Studenten ihr Handwerk an echten Körpern erlernen können und die Medizin mitunter neue Erkenntnisse gewinnt.

Nun könnte man annehmen, dass dies in der Schweiz nicht viele Menschen machen – doch im Gegensatz zu Organspenden herrscht bei Körperspenden kein Mangel: Pro Jahr gibt es schweizweit bis zu 300 Neuanmeldungen für eine solche Körperspende, wie Beatrice Lauber sagt. Sie ist am Anatomischen Institut der Universität Zürich als sogenannte Prosektorin zuständig für das Leichenspendewesen, wie es heisst.

Prosektorin Beatrice Lauber
Legende: Beatrice Lauber ist an der Universität Zürich für das Leichenspendewesen zuständig. SRF/Christoph Brunner

Der Bedarf an menschlichen Körpern, welcher die Universität Zürich als grösste Schweizer Uni für alle ihre Kurse hat, liegt zwischen 90 und 100 pro Jahr. Einen Mangel gebe es deswegen eigentlich nie. Und dies auch ohne Werbung für eine Körperspende – was sie ohnehin nicht machten, da es unethisch und unmoralisch wäre, sagt Lauber.

Körper von primär älteren Menschen

Es seien vor allem Körper von älteren Menschen, die verstorben sind, mit denen die Studentinnen und Studenten arbeiten, so die Prosektorin: jeweils ein ganzes Jahr lang in Gruppen mit demselben Körper. Diese würden haltbar gemacht, dass die Studierenden über zwei Semester hinweg am selben Körper arbeiten können – etwa zum Sezieren oder um die menschliche Anatomie in echt kennenzulernen.

Und weil sich die Anatomie eines Menschen nicht wesentlich verändere, mache es auch nichts, dass Körper von jüngeren Menschen fehlten, sagt Beatrice Lauber. Es gebe auch immer wieder Menschen, die sich zum Beispiel nach einer schweren Krankheit für eine Körperspende entscheiden.

Kirche St. Anton während der Gedenkfeier
Legende: In der Zürcher Kirche St. Anton finden sich für die Gedenkfeier fast 300 Menschen ein. Darunter sind auch 170 Medizinstudierende – sie haben die ganze Feier selbst gestaltet. Für jede und jeden der 162 Spenderinnen und Spender, die ihren Körper letztes Jahr der Universität Zürich übergaben, wird eine Kerze angezündet. SRF/Christoph Brunner

Um diesen Menschen zu gedenken, hat die Universität Zürich am Donnerstag deren Angehörige zu einer Gedenkfeier in die Kirche St. Anton eingeladen. Dabei haben sich auch Studierende bei den Verstorbenen bedankt. Beispielsweise die 23-jährige Medizinstudentin Alexandra Erni, die ein Lied vorgetragen hat.

Medizinstudentin Alexandra Erni
Legende: Obwoh sie gewusst habe, dass im zweiten Jahr des Medizinstudiums das Sezieren an echten Körpern stattfinde, habe sie dann zuerst schon ein mulmiges Gefühl beschlichen, so Alexandra Erni. SRF/Christoph Brunner

Den Angehörigen falle es nicht immer gleich leicht, die Körperspende ihrer Liebsten zu akzeptieren, so Beatrice Lauber. Schwierig sei es für die Angehörigen vielfach auch, dass sie nach dem Tod der Spender zuerst gar keinen Körper haben, den sie beerdigen könnten.

Sie rieten den Spendewilligen, genug früh mit den Angehörigen über diesen Wunsch zu reden. Die Gedenkfeiern, bei denen auch die Dankbarkeit im Vordergrund steht, seien deshalb sehr wichtig. «Das wird extrem geschätzt von den Angehörigen», sagt Lauber.

Ehrengrab mit Blumengedeck
Legende: Das Ehrengrab der Anatomie – eine Steinformation neben den Urnen-Gräbern beim Zürcher Krematorium Nordheim. Gespendete Körper werden wegen der haltbarmachenden Chemikalien nach den Untersuchungen der Studierenden kremiert. SRF/Christoph Brunner

Ein Teil der Spenderinnen und Spender findet seine letzte Ruhe beim Zürcher Krematorium Nordheim. Am Waldrand neben den Urnen-Gräbern ist das Ehrengrab der Anatomie – eine Formation aus ein paar grossen Steinbrocken. Die Asche eines anderen Teils wird von den Angehörigen aufbewahrt.

Neben dem Ehrengrab der Anatomie steht eine Tafel, die ebenjenen Menschen dankt, die ihren toten Körper der Wissenschaft spenden. Auf alle vier Landessprachen wird gedankt: «Danke, Grazie, Merci, Grazia – Die Spende des Körpers ist ein Geschenk für die nächste Generation.»

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 7.6.2024, 12:03 Uhr ; 

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